Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
hat.«
»Jetzt behaupte ich«, sprach Don Quixote, »daß der Autor meiner Historie kein Weiser, sondern ein unwissender Schwätzer gewesen, der auf gut Glück und ohne Plan sich zum Schreiben niedersetzte, werde daraus, was da wolle, wie es Orbaneja, der Maler von Urbeda, machte, der, als man ihn fragte, was er male, zur Antwort gab: Was daraus wird. Dieser malte einmal einen Hahn, der so unscheinbar herauskam, daß er mit gotischen Buchstaben darunter schreiben mußte: Dieses ist ein Hahn. So wird es auch mit meiner Historie beschaffen sein, die gewiß eines Kommentars bedarf, um verstanden zu werden.«
»Durchaus nicht«, antwortete Simson, »denn sie ist so klar, daß sich nicht eine einzige Schwierigkeit darin befindet. Die Kinder tragen sich damit, junge Leute lesen sie, die Männer verstehen sie und die Alten preisen sie; kurz: sie wird so gehandhabt, gelesen und studiert von allen Arten von Leuten, daß sie kaum einen dürren Klepper gewahr werden, so rufen sie: da geht Rosinante! und diejenigen, die sich dieser Lektüre am meisten ergeben haben, sind die Pagen. Es gibt kein Vorzimmer eines angesehenen Mannes mehr, wo sich nicht ein Don Quixote befände; einer nimmt ihn, wenn ihn der andere kaum hingelegt hat; hier bittet einer, dort zankt einer darum; kurz, diese Historie ist die allerunterhaltendste und unschädlichste Zeitverkürzung, die noch je erschienen ist, denn in dem ganzen Buche findet man nicht auch nur von weitem einen unanständigen Ausdruck noch einen Gedanken, der gegen die Religion wäre.«
»Auf andere Weise schreiben«, sagte Don Quixote, »hieße auch nicht Wahrheit, sondern Lügen schreiben, und die Historiker, die sich der Lügen befleißigen, sollten, so wie die Falschmünzer, verbrannt werden. Ich begreife aber nicht, was den Autor bewog, sich der Novellen und fremden Erzählungen zu bedienen, da er von mir soviel zu schreiben hatte. Es mag aber vielleicht auf ihn das Sprichwort passen; wo man keinen Hafer findet, füttert man mit Häcksel; denn wahrlich, wenn er nur meine Gedanken, Seufzer und Tränen ausgedrückt hätte, meine guten Wünsche und Vorsätze: so hätte er daraus einen ebenso großen, ja größeren Band machen können, als die gesamten Werke des Tostado nur immer ausmachen mögen. Soviel ich davon begreife, Herr Bakkalaureus, gehört ein großer Verstand und ein reifes Urteil dazu, um Historien zu verfassen; Lustigkeiten zu sagen und Scherze niederzuschreiben, dazu gehört ein großes Genie. Die verständigste Figur der Komödie ist die des Tölpels; denn er muß es nicht selber sein, der uns zu verstehen gibt, er sei dumm. Die Historie ist eine fast heilige Sache, denn sie soll wahrhaftig sein, und wo die Wahrheit ist, ist Gott in Absicht der Wahrheit; aber trotz allem diesem gibt es jetzt Leute, die Bücher verfassen und damit um sich werfen, nicht anders, als ob sie Semmeln backten.«
»Doch gibt es kein so schlechtes Buch«, sagte der Bakkalaureus, »worin nicht irgend etwas Gutes stände.«
»Das leidet keinen Zweifel«, versetzte Don Quixote; »es trifft sich aber oft, daß diejenigen, welche durch ihr Verdienst und durch ihre Schriften sich einen großen Ruhm erworben haben, ihn sogleich entweder ganz verlieren oder ihn doch sehr vermindert sehen, wenn sie ihre Werke der Presse übergeben.«
»Die Ursache davon ist«, sagte Simson, »daß man die gedruckten Werke mit mehr Muße übersieht, wo denn die Fehler leichter zum Vorschein kommen, und man desto genauer kritisiert, je größer der Ruhm dessen ist, der das Buch verfaßt hat. Die durch ihr Genie berühmten Männer, die großen Poeten, die berühmten Geschichtschreiber werden immer oder doch meistenteils von denen beneidet, die sich ein Vergnügen und eine besondere Unterhaltung daraus machen, über die Schriften anderer zu urteilen, ohne irgend etwas selbst an das Licht zu bringen.«
»Dieses ist nicht zu verwundern«, sagte Don Quixote; »denn es gibt viele Theologen, die auf der Kanzel nicht taugen würden, die aber doch sehr gründlich die Fehler und Mängel derer, welche predigen, erkennen.«
»Alles dieses ist sehr wahr, Herr Don Quixote«, sagte Carrasco; »ich wünschte aber, daß dergleichen Urteilssprecher etwas mitleidiger und weniger ekel wären, und nicht ihre Aufmerksamkeit zu sehr auf die kleinen Stäubchen eines glänzenden Werkes richteten, das sie bekritteln, denn si aliquando bonus dormitat Homerus, müssen sie auch erwägen, wie lange er wachte, um seinem Werke den Glanz und so
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