Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Mutter mag auch noch so sehr dagegen sein.«
»Und wie alt ist diese Dame, die zur Gräfin aufgezogen wird?« fragte der vom Walde.
»Fünfzehn Jahre, zwei mehr oder weniger«, antwortete Sancho; »aber sie ist so hochaufgeschossen wie eine Lanze und so frisch wie ein Aprilmorgen, und dabei hat sie eine Stärke wie ein Karrenschieber.«
»Das sind Gaben«, antwortete der vom Walde, »die sie nicht zur Gräfin, sondern selbst zur Nymphe und Göttin machen können. Ei, du Hurenkind! Ei, von welcher Kernschönheit muß das Tierchen sein!«
Worauf Sancho mit einigem Verdrusse antwortete: »Sie ist keine Hure, sowenig wie ihre Mutter, und keine von beiden wird es mit Gottes Hilfe werden, solange ich am Leben bin. Sprecht also mit mehr Anstand; denn da Ihr unter irrenden Rittern auf erzogen seid, welche die Höflichkeit selber sind, scheinen mir diese Eure Reden nicht überlegt genug.«
»O, wie wenig versteht sich doch mein Herr Stallmeister«, versetzte der vom Walde, »auf die rechten Lobeserhebungen! Wie, Ihr wißt nicht, daß, wenn auf dem Plane der Ritter dem Stiere einen tüchtigen Stoß beibringt, oder wenn jemand irgendein Ding vortrefflich verrichtet, die Menschen zu rufen pflegen: O du Hurensohn! Wie trefflich hat er das ausgeführt! Was also in anderen Fällen eine Beschimpfung vorstellt, ist hier ein ausgezeichnetes Lob, und solcher Söhne oder Töchter, mein Herr, dürft Ihr Euch nur lieber entsagen, die nicht solche Dinge verrichten, daß man ihren Eltern dergleichen Lob erteilen könnte.«
»So tue ich«, antwortete Sancho, »und auf diese Art und Weise könntet Ihr mich und meine Kinder und mein Weib nur ein einziges vollständiges Hurenhaus heißen; denn alles, was bei uns gesagt und getan wird, sind Dinge, die im höchsten Grade dergleichen Lob verdienen. Und daß ich sie nur bald wiedersehen möge, bete ich zu Gott, daß er mich aus dieser Todsünde erlöse; denn nichts Geringeres ist es, wenn er mich von diesem gefährlichen Amte eines Stallmeisters errettet, in das ich nun zum zweitenmal geraten bin, von einer Börse mit hundert Dukaten dazu verführt, die ich einmal mitten im Schwarzen Gebirge fand. Seitdem hält mir nun der Teufel immer hier, da, dorten und wiederum hier einen Beutel mit Dublonen vor die Augen, so daß es mir bei jedem Schritte ist, als fasse ich ihn mit der Hand, als drücke ich ihn in den Armen, als bringe ich ihn nach Hause, und lege das Geld auf Zinsen, und lebe wie ein Fürst. Und solange ich daran denke, sind mir alle Leiden leicht und erträglich, die ich mit diesem Dummkopfe, meinem Herrn, ausstehe, von dem ich recht gut weiß, daß er mehr von einem Narren als von einem Ritter hat.«
»Deshalb«, antwortete der vom Walde, »pflegt man zu sagen, daß allzuviel den Sack zerreißt; und wenn wir auf das andere kommen wollen, so gibt es gewiß keinen größeren Narren als meinen Herrn, denn er gehört zu denen, auf welche das Sprichwort paßt: Er läßt von Fremden seinen Esel zu Tode reiten; denn um einen anderen Ritter den Verstand, den jener verloren, wiederzuschaffen, macht er sich selbst zum Narren und zieht umher, um weiß Gott was zu suchen, das, wenn er es gefunden hat, seine
eigene Haut vielleicht ausbaden muß.«
»Und ist er vielleicht verliebt?«
»Ja«, sagte der vom Walde, »in eine gewisse Casildea von Vandalia, die grausamste und hartgesottenste von allen Damen, die es nur auf Erden geben kann. Doch ist die Grausamkeit nicht eben die Krankheit, woran er leidet; denn andere größere Bosheiten knurren ihm im Leibe, wie es sich wohl bald zeigen wird.«
»Es gibt keinen so ebenen Weg«, versetzte Sancho, »auf dem man nicht stolpern oder anstoßen könnte. In andern Häusern werden die Bohnen in Töpfen, bei mir in Waschkesseln gekocht. Mehr Gesellschaft und Begleitung muß wohl die Narrheit haben als der Verstand; wenn aber das wahr ist, was man gemeiniglich zu sagen pflegt, daß es zum Trost im Leiden dient, einen Gesellschafter zu finden, so könnte ich mich mit Euer Edlen trösten, denn Ihr dient auch einem Herrn, der ebenso dumm wie der meinige ist.«
»Dumm, aber tapfer«, antwortete der vom Walde, »und mehr Schelm, als er dumm oder tapfer ist.«
»Das ist der meinige nicht«, antwortete Sancho, »der hat gar nichts vom Schelm an sich; nein, der hat vielmehr eine Seele wie ein Schaf, er tut keinem Menschen was Böses; allen erzeigt er Gutes, und Tücke ist ihm ganz unbekannt. Ein Kind könnte ihm weismachen, daß es am hellen Tage dunkle Nacht
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