Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
zu ihren Stallmeistern, die sie noch in der nämlichen Lage schnarchend fanden, in der sie waren, als sie der Schlaf überfiel. Sie weckten sie und befahlen ihnen, nach den Pferden zu sehen, denn mit dem Aufgange der Sonne wollten sie einen blutigen und fürchterlichen Zweikampf ausfechten, bei welcher Neuigkeit Sancho erschrak und sich entsetzte, denn er war für das Leben seines Herrn besorgt, da er den Stallmeister vom Walde die Tapferkeit seines Herrn so überaus hatte rühmen hören. Aber ohne ein Wort zu sprechen, gingen die Stallmeister fort, ihre Herde aufzusuchen; denn alle drei Pferde und der Graue hatten sich schon berochen und standen dicht nebeneinander.
Unterwegs sagte der vom Walde zu Sancho: »Du mußt wissen, Bruder, daß die Kämpfer in Andalusien die Sitte haben, wenn sie Sekundanten eines Zweikampfs sind, nicht müßig mit zusammengelegten Händen dabeizustehen, indes sich die Parteien herumschlagen. Ich sage dies, damit du dich fertig machst, daß, während sich unsere Herren schlagen, wir auch miteinander kämpfen und die Klingen ziehen können.«
»Diese Gewohnheit, Herr Stallmeister«, antwortete Sancho, »mag wohl dort zwischen Schlägern und Raufern gebräuchlich sein, aber unter den Stallmeistern der irrenden Ritter ist daran gar nicht zu denken; wenigstens habe ich meinen Herrn noch nicht von einem solchen Gebrauche sprechen hören, der doch alle Gesetze der irrenden Ritterschaft auswendig weiß. Ja, wenn es auch eine ausdrückliche Regel wäre, daß die Stallmeister sich schlagen müssen, während ihre Ritter kämpfen, so würde ich es doch nicht befolgen, sondern lieber die Strafe bezahlen, die in solchem Falle auf die friedliebenden Stallmeister gelegt ist; denn ich glaube doch wohl, daß die nicht mehr als etwa zwei Pfund Wachs betragen wird, was mich immer noch weniger kosten würde als die Lappen und Leinwand, die ich brauchte, mir den Kopf zu verbinden, den ich schon in zwei Stücke geschlagen und geteilt vor mir sehe. Was mir aber das Kämpfen ganz unmöglich macht, ist, daß ich keinen Degen habe, denn ich führe mein Lebtage keinen.«
»Dafür weiß ich ein gutes Mittel«, sagte der vom Walde, »ich habe hier zwei leinene Säcke von gleicher Größe, Ihr nehmt den einen und ich den anderen, und so können wir mit gleichen Waffen aufeinander losschlagen.«
»Auf diese Weise in Gottes Namen«, antwortete Sancho; »denn ein solcher Kampf wird uns eher den Staub ausklopfen, als eine Wunde beibringen.«
»Das ist nicht so gemeint«, versetzte der andere; »denn in die Säcke müssen wir, damit der Wind sie nicht fortführt, ein halbes Dutzend vollständige und vollwichtige Kieselsteine legen, so daß der eine Sack so schwer wie der andere wird, und so können wir uns sackschlagen, ohne uns Schaden oder Unheil zuzufügen.«
»Seht doch, bei meiner armen Seele!« rief Sancho aus, »welche Zobelfellchen, welche zarte, ausgekämmte Baumwolle will der Mensch in die Säcke tun, womit wir uns durchaus nicht die Köpfe zerschmettern und alle Knochen entzweibrechen können; wenn Ihr aber auch Seide hineintun wolltet, so wißt, mein Herr, daß ich durchaus nicht kämpfen werde. Unsere Herren mögen es tun und sehen, wie es ihnen bekommt, wir aber wollen trinken und leben und leben lassen; denn die Zeit sorgt schon dafür, uns unser Leben zu nehmen, ohne daß wir vorher einem Gelüste nachgehen, damit es aus sei, ehe seine Zeit und Stunde gekommen ist, und es als reif selbst abfallen mag.«
»Trotz alledem«, versetzte der vom Walde, »müssen wir wenigstens eine halbe Stunde miteinander kämpfen.«
»Nimmermehr«, antwortete Sancho, »werde ich so unhöflich und undankbar sein, daß ich mit einem Händel anfinge, mit dem ich gegessen und getrunken habe, um so mehr, da ich gar nicht zornig und ärgerlich bin; wer Teufel, kann sich denn aus freier Faust herumprügeln?«
»Dafür«, sagte der vom Walde, »weiß ich ein probates Mittel. Ehe wir nämlich den Kampf anfangen, will ich ganz sanftmütig zu meinem edlen Herrn kommen und ihm drei oder vier tüchtige Maulschellen geben, so daß er zu meinen Füßen niederfällt, wodurch denn wohl sein Zorn erwachen wird, wenn er auch so fest wie ein Murmeltier schliefe.«
»Gegen diesen Pfiff weiß ich einen anderen«, antwortete Sancho, »der wenigstens ebensoviel wert ist. Ich könnte nämlich einen Knüppel nehmen, und ehe noch mein edler Herr mir meinen Zorn aufweckt, den seinigen mit Knüppelschlägen so zum Schlafen zu bringen, daß er
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