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Mythor - 104 - Inscribe die Löwin

Mythor - 104 - Inscribe die Löwin

Titel: Mythor - 104 - Inscribe die Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terrid Peter
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1.
    Der Rauch der zahlreichen Ampeln sammelte sich unter der hölzernen Decke zu dichten Schwaden, die das Gebälk und die angeblich kostbaren Wandgemälde gleichermaßen schwärzten. Der Rauch war durchsetzt von den Gerüchen der Herberge – es war eine Mischung aus geräuchertem Fleisch, aus Alkohol und dem unverkennbaren Geruch billigen Öls in den Ampeln.
    Der Raum war gerammelt voll.
    Markttag in Shingan, und der »Hort zum kollernden Magen« war das größte Rasthaus der kleinen Stadt. Entsprechend gut war der Besuch, ganz besonders an den langen Winterabenden. Dann mußten die wenigen Stände der Kälte wegen früh geräumt werden; Händler und Kundschaft sammelten sich dann im Hort, gönnten sich Braten und Speck und sprachen dem würzigen Bier zu, das der Wirt so meisterlich zu brauen verstand.
    Die Gäste saßen auf rohbehauenen Bänken vor blankgescheuerten Tischen, wenigstens morgens, wenn die Mägde mit Sand die Essensreste vom Vorabend heruntergeschmirgelt hatten. Die Tatsache, daß der Wirt – ein Hüne von Gestalt – jedes Jahr einen Satz neuer Tische benötigte, legte beredtes Zeugnis ab für die Höhe seiner Kunst.
    Hurla streckte die magere Rechte in die Höhe.
    »Noch eine Runde für mich und meine Freunde«, rief er.
    Der Wirt sah Hurla mißbilligend an.
    »Dein Kerbholz ist schon recht voll, alter Freund«, sagte der Herbergsvater. Er reichte bis an die Decke, und wenn er sich hingelegt hätte, wäre der Tisch unter ihm zusammengebrochen. Ihm zu widersprechen war nicht ratsam.
    Garger, so hieß der Koloß, hielt Hurla die Stäbe unter die weinrote Nase. Jeder Einschnitt der beiden genau aufeinander passenden Dreieckshölzer entsprach einem Kupferstück, die Doppelkerben entsprachen gemünztem Silber. Wenn der Gast ging, konnte er sein Kerbholz mitnehmen – als Beweis für die Richtigkeit seiner Zeche.
    »Eine Runde wird es noch vertragen«, sagte Hurla.
    »Hast du gute Geschäfte gemacht?«, fragte Garger.
    Hurla griff in die Hose und ließ es klimpern.
    Anderen mochte er damit den Klang von Gold, Silber und Münzkupfer vorspiegeln können, nicht aber einem alterprobten Wirt wie Garger. Der erkannte in dem Klang sofort das Klirren von Schüsseln, ein paar Würfeln und einer Messerklinge.
    »Wenn du morgen nicht zahlst, landest du im Suppentopf«, verhieß Garger.
    Hurla kratzte sich hinter dem Ohr. Man konnte nie ganz sicher sein, ob dieser Riesenwirt mit dem völlig ausdruckslosen Gesicht nicht Ernst machte. Daß der fragliche Kessel groß genug war, auch Hurla aufzunehmen, wußte der Zecher – er konnte den Topf im Hintergrund über dem schwachen Herdfeuer sehen. »Ich zahle«, versprach Hurla.
    »Dann ist es gut«, sagte der Wirt und trat an den Nebentisch. Auf seinen Wink hin näherte sich eine der Schankmägde mit einem biergefüllten Holzeimer.
    Gargers Schankmägde waren die hübschesten weit und breit, dazu die fröhlichsten. Der Wirt aß für sechs und kochte für zehn, da blieb auch für die Mägde genug zum Leben übrig. Und keinem Gast wäre es eingefallen, die schmierigen Finger nach den offenherzigen Miedern der Mägde auszustrecken. Garger mochte dergleichen überhaupt nicht, und der Mann, der sich erfolgreich mit diesem Wirt hätte auseinandersetzen wollen, war noch nicht gefunden. Den Männern aus Shingan war das gar nicht einmal unlieb – so wußten ihre Weiber wenigstens, daß sie nur dem Trunk zusprachen und auf keine anderen Gedanken kamen.
    Die Männer an Hurlas Tisch schielten zwar eifrig in die Üppigkeiten, die das Mädchen aufzuweisen hatte, aber sie behielten ihre Hände bei sich, weil sie nicht von Garger an die Luft gesetzt werden wollten.
    Einer, der genau diesen Gedanken gedacht hatte, sah nach draußen. Fenster besaß die Herberge natürlich nicht, denn Glas war als Kostbarkeit den ganz großen Herren vorbehalten. Aber in Öl getränktes Papier ließ ebenfalls die Konturen draußen ahnen. Vor allem aber verriet der feine Trommelschlag auf dem geölten Papier, daß es draußen regnete.
    »Ein Abend, da möchte man ewig beim warmen Bier sitzen bleiben«, sagte Hurla. Er schüttete die Becher der Freunde voll, sich selbst genehmigte er ein Warmbier, der stärkeren Wirkung wegen.
    »Auf Hurla, unseren Freund!« sagte der Zecher neben dem hageren Mann, der die Runde bestellt hatte. Es fiel auf, daß er nur ein Ohr besaß, das linke.
    Hurla tat den anderen Bescheid. Es war dies tatsächlich ein Feiertag für ihn. Er hatte einem völlig vertrottelten Fremden einige

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