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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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großdenkenden Seele unternommen zu werden. Komm mit mir, durchlauchtiger Mann; denn ich will dir die Wunder zeigen, welche diese durchsichtige Burg enthält, in welcher ich beständiger Kommandant und Gouverneur bin. Denn ich bin jener nämliche Montesinos, von welchem die Höhle ihren Namen führt.‹
    Kaum sagte er mir, daß er Montesinos sei, als ich ihn fragte, ob alles wahr sei, was man sich in der Oberwelt von ihm erzähle. Daß er nämlich seinem großen Freunde Durandarte mit einem kleinen Dolche das Herz aus der Brust genommen und es der Dame Belerma gebracht, wie jener ihm bei seinem Sterben anbefohlen habe.
    Er antwortete mir, daß alles Wahrheit sei, ausgenommen das mit dem Dolche; denn es sei weder ein großer noch ein kleiner Dolch gewesen, sondern ein geschärftes Stilett, spitzer als ein Pfriem.«
    »So muß wohl«, sagte Sancho hierauf, »dieses Stilett vom Ramon de Hoces, dem Sevillaner, gewesen sein?«
    »Das weiß ich nicht«, fuhr Don Quixote fort, »doch kann es nicht von diesem Waffenschmiede gewesen sein, denn Ramon de Hoces hat zu unseren Zeiten gelebt, die Schlacht bei Roncevalles aber, wo sich die Begebenheiten zutrugen, ist schon vor vielen Jahren geschehen. Auch ist dieser Umstand von keiner Wichtigkeit und stört und ändert nichts in der Wahrheit und im Zusammenhang der Geschichte.«
    »So ist es auch«, antwortete der Vetter; »fahrt fort, Herr Don Quixote, denn ich höre Euch mit dem größten Vergnügen von der Welt zu.«
    »Ich erzähle mit nicht geringerem Vergnügen«, antwortete Don Quixote. »Ich fahre daher fort, daß mich der ehrwürdige Montesinos in den kristallenen Palast führte, wo ich mich in einen Saal begab, der äußerst kühl und ganz von Alabaster war. Hier befand sich ein marmornes Grabmal, mit der größten Kunst gearbeitet, auf welchem ein Ritter seiner ganzen Länge nach ausgestreckt lag, und zwar nicht aus Erz, Marmor oder Jaspis gebildet, wie sie wohl auf anderen Grabmälern zu sein pflegen, sondern er bestand aus wirklichem Fleische und wirklichen Knochen. Seine rechte Hand (die, wie es mir schien, etwas haarig und sehnig war, ein Zeichen von großer Stärke) hatte er auf die Seite des Herzens gelegt, und bevor ich den Montesinos noch etwas gefragt hatte, da er mein Erstaunen sah, indem ich das Grabmal betrachtete, sagte er zu mir: ›Dieser ist mein Freund Durandarte, die Blume und der Spiegel der verliebten und tapferen Ritter seines Zeitalters. Er befindet sich verzaubert hier sowie ich selbst und viele andere Männer und Frauen, durch Merlin, jenen französischen Zauberer, von dem man sagt, daß er ein Sohn des Teufels sei; was ich aber glaube, ist nicht, daß er ein Sohn des Teufels ist, sondern daß er noch etwas mehr weiß als der Teufel. Wie oder warum er uns verzaubert hat, weiß keiner zu sagen; er wird es aber sagen, wenn es an der Zeit ist, und ich glaube, die Zeit ist nicht mehr fern. Worüber ich mich aber verwundern muß, ist, daß ich es so gewiß weiß, wie daß es jetzt Tag ist, daß Durandarte sein Leben in meinen Armen beschloß, und daß ich ihm, als er tot war, sein Herz, welches zwei ganze Pfund wog, mit meinen eigenen Händen ausnahm; und nach den Naturkundigen ist demjenigen mehr Mut verliehen, der ein großes Herz, als der ein kleines besitzt. Da nun dies alles wahr und dieser Ritter wirklich in meinen Armen gestorben ist, wie kann er sich doch jetzt beklagen und von Zeit zu Zeit seufzen, als wenn er noch lebte?‹
    Indem dies gesprochen wurde, erhob der elende Durandarte seine Stimme laut und sagte:
›O mein Vetter Montesinos,
Was ich Euch zuletzt gebeten,
Wann ich toter Leichnam würde
Und entwichen mir die Seele,
Daß Ihr da mein Herz hinbrächtet,
Wo Belerma gegenwärtig,
Es aus meinem Busen nehmend,
Sei’s mit Dolch, sei’s mit dem Degen.‹
    Als dieses der ehrwürdige Montesinos hörte, ließ er sich vor dem klagenden Ritter auf die Knie nieder und sagte mit Tränen in den Augen: ›Ich habe schon, Herr Durandarte, mein allerliebster Vetter, ich habe schon das getan, was Ihr mir an jenem bittern Tage unseres Unglücks befohlen habt. Ich nahm Euch das Herz so gut ich konnte heraus, ohne auch nur das kleinste Teil davon in der Brust zu lassen. Ich trocknete es mit einem gestickten Tuche und reiste in der größten Eile damit nach Frankreich, nachdem ich Euch zuvor in den Schoß der Erde unter Vergießung so häufiger Tränen gelegt hatte, daß sie hinreichend waren, mir die Hände ganz von dem Blute rein zu waschen, welches

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