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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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habe.
    »Hölle nennt ihr es?« sagte Don Quixote. »Nennt es nicht also, denn es verdient den Namen nicht, wie ihr sogleich sehen werdet.«
    Er verlangte etwas zu essen, weil er einen ganz außerordentlichen Hunger habe. Sie deckten den Teppich des Vetters auf das grüne Gras und holten den Inhalt ihrer Schnappsäcke hervor, worauf sich alle drei sehr friedlich und gesellig niedersetzten und zu gleicher Zeit ihr Vesper- und Abendbrot verzehrten. Als der Teppich abgehoben war, sprach Don Quixote von la Mancha: »Bleibt sitzen, und nun, meine Kinder, hört mir alle aufmerksam zu.«

23. Kapitel

    Von den wunderbaren Dingen, welche der erregte Don Quixote erzählte, die er in der tiefen Höhle des Montesinos gesehen hatte, die aber so unmöglich und erstaunlich sind, daß man dieses Abenteuer lieber für unecht halten kann.
    Es war die vierte Stunde nach Mittag; die Sonne war mit Wolken bedeckt und warf ein gedämpftes Licht und keine heißen Strahlen auf Don Quixote, so daß er ohne Hitze und Beschwerlichkeit seinen beiden erlauchten Zuhörern das erzählen konnte, was er in der Höhle des Montesinos gesehen hatte, indem er auf folgende Weise anfing:
    »Ungefähr nach fünfzehn oder siebzehn Klaftern in der Tiefe dieses unterirdischen Gewölbes ist zur rechten Hand eine Höhlung, so geräumig, daß ein großer Wagen mit zwei Maultieren Platz darin haben könnte. Ein schimmerndes Licht fällt durch einige Spalten oder Löcher hinein, die von der Oberfläche der Erde aus der Ferne diese Höhle erleuchten müssen. Diesen ausgehöhlten Raum wurde ich gewahr, als ich müde und verdrießlich war, mich so am Seile hängen zu sehen und so in jene Finsternis hinabzufahren, ohne einen gewissen und bestimmten Weg vor mir zu haben; daher entschloß ich mich, in diese Höhlung hineinzugehen und dort ein wenig auszuruhen. Ich rief, daß ihr nicht mehr vom Seile herunterlassen möchtet, bis ich es euch sagen würde, aber ihr müßt mich nicht gehört haben. Ich sammelte das Seil, welches ihr immer noch herunterließet, legte es in einen Ring oder Hügel zusammen und setzte mich gedankenvoll darauf, indem ich erwog, wie ich es anfangen sollte, mich in den tiefen Abgrund hinunterzulassen, da keiner zugegen sei, der mich festhielt. Indem ich noch so nachdachte und überlegte, überfiel mich plötzlich und ohne daß ich es hindern konnte, ein sehr tiefer Schlaf. Ebenso schnell erwachte ich wieder, ohne daß ich wußte, wie mir geschah, und befand mich plötzlich mitten auf der schönsten, lieblichsten und anmutigsten Wiese, welche die Natur nur immer hervorbringen oder die begeisterte Phantasie sich vorstellen kann. Ich putzte und rieb mir die Augen, und sah nun, daß ich nicht schlief, sondern wirklich und in der Tat wach sei. Dennoch befühlte ich meinen Kopf und meine Brust, um mich völlig zu überzeugen, ob ich es denn auch selber sei, der sich dort befand, oder nur ein nichtiges Trugbild; aber Gefühl, Berührung und die Überlegungen, die ich bei mir selber anstellte, überzeugten mich bald völlig, daß ich derselbe sei, der ich zur gegenwärtigen Stunde bin. Plötzlich zeigte sich meinen Blicken ein königlicher und prächtiger Palast oder Burgschloß, dessen Mauern und Wände durchsichtig und von glänzendem und hellem Kristall erbaut waren. Es taten sich zwei große Türen auf, aus denen ein ehrwürdiger Greis trat und auf mich zuging; er war mit einem langen, violettfarbenen Mantel bekleidet, der ihm auf dem Boden nachschleppte. Um die Schultern und Brust trug er einen kürzeren Doktormantel von grünem Atlas. Auf dem Kopfe hatte er ein schwarzes mailändisches Barett, und ein schneeweißer Bart hing ihm bis auf den Gürtel. Er hatte keine Waffen an sich, sondern in der Hand einen Rosenkranz, an welchem die Aves größer als Nüsse und die Paternoster wie Straußeneier waren. Der Anstand, der Gang, der Ernst und die große Milde des Ausdrucks, dies alles zusammen und jedes für sich, erregten mein Erstaunen und meine Verwunderung. Er kam auf mich zu, und das erste, was er tat, war, mich dicht in seine Arme zu schließen, worauf er sagte: ›Schon seit sehr langer Zeit, tapferer Ritter Don Quixote von la Mancha, warten wir in dieser verzauberten Einsamkeit darauf, dich zu erblicken, damit du der Welt Nachricht gebest, was in der tiefen Höhle verschlossen und verborgen liegt, in welche du eingedrungen bist und die man die Höhle des Montesinos nennt: eine Tat, welche aufbewahrt war, von deinem unbesiegbaren Herzen und deiner

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