Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Wahrheit und Aufrichtigkeit und ohne Hinterlist und Trug. Daher mag mir Sancho glauben, daß das springende Bauernmädchen Dulcinea von Toboso war und ist, daß sie so verzaubert ist wie die Mutter, die sie geboren hat, und daß, wenn wir es am wenigsten denken, wir sie in ihrer eigentümlichen Gestalt wieder sehen werden, worauf Sancho wohl den Irrtum ablegen wird, in welchem er jetzt lebt.«
»Das kann alles recht gut sein«, sagte Sancho Pansa, »und jetzt will ich auch glauben, was mir mein Herr von dem erzählt hat, was er in der Montesinoshöhle gesehen haben will, wo er die Dame Dulcinea von Toboso, wie er sagt, in der nämlichen Tracht und Kleidung gesehen hat, wie ich sie damals gesehen habe, als ich sie zu meinem Vergnügen verzauberte. Aber alles muß wohl ganz umgekehrt sein, wie Ihr, meine gnädige Dame, sagt; denn es läßt sich nicht glauben, daß mein gemeiner Verstand in einem Augenblicke eine so kluge List hervorgebracht habe. Auch kann ich nicht glauben, daß mein Herr so närrisch sein sollte, daß ihn eine so elende und klägliche Überredung wie die meinige von einem Dinge hätte überzeugen können, das so ganz außerordentlich ist. Aber, gnädige Frau, es wäre darum nicht gut, wenn Eure Güte mich deswegen für boshaft halten wollte; denn ein einfältiger Mann wie ich ist nicht verpflichtet, alle Gedanken und Bosheiten der verfluchten Zauberer gleich zu merken. Ich ersann das bloß, um mit meinem Herrn Don Quixote keine Händel zu kriegen, nicht aber in der Absicht, ihn zu beleidigen; ist es nun anders ausgefallen, so ist Gott im Himmel, der die Herzen kennt.«
»Das ist wahr«, sagte die Herzogin; »aber sagt mir doch, Sancho, was hat er von der Höhle des Montesinos erzählt? Denn es wäre mir angenehm, es zu wissen.«
Sancho erzählte ihr nun Wort für Wort, was oben von diesem Abenteuer vorgetragen ist. Als die Herzogin dies gehört hatte, sagte sie: »Aus dieser Begebenheit kann man sehen, daß, weil der große Don Quixote erzählt, er habe dort die nämliche Bäuerin gesehen, welche Sancho vor Toboso gesehen hat, diese ohne Zweifel Dulcinea ist und daß die Zauberer hierin sehr künstlich und ungemein wunderlich verfahren sind.«
»Das sage ich auch«, sagte Sancho Pansa.«Ist meine gnädige Dulcinea von Toboso verzaubert, so ist es ihr eigener Schaden; denn ich will mich mit den Feinden meines Herrn nicht einlassen, deren viele und niederträchtige sein müssen. Die Wahrheit ist, daß die, welche ich sah, eine Bäuerin war, als Bäuerin fand ich sie und für eine Bäuerin habe ich sie gehalten; war sie nun die Dulcinea, so geht das mich nichts an und man darf das nicht auf meine Rechnung schreiben. Allenthalben muß ich herhalten mit: ›Sag’ mir doch, und laß dir sagen: Sancho hat es gesagt, Sancho hat es getan; Sancho hinten und Sancho vorne‹; als wenn Sancho der Allerweltsnarr wäre und nicht derselbe Sancho Pansa, der durch gedruckte Bücher in der Welt bekannt ist, wie mir Simson Carrasco gesagt hat, der ein Bakkalaureusmann aus Salamanka ist, und solche Leute können nicht lügen, außer wenn sie Lust haben oder es ihnen sehr zustatten kommt. Darum hat sich keiner um mich zu bekümmern, solange ich meinen ehrlichen Namen behalte, und ich habe von meinem Herrn sagen hören, ein guter Name sei mehr wert als alle Reichtümer. Darum nur frisch mir die Statthalterei eingepackt, und man soll Wunder sehen; denn wer ein guter Stallmeister gewesen ist, wird auch ein guter Statthalter sein.«
»Alles, was der wackere Sancho jetzt gesprochen hat«, sagte die Herzogin, »sind catonische Sentenzen oder wenigstens aus den Eingeweiden des Michael Verino her: florentibus occidit annis. Mit einem Worte, um auf seine Weise zu sprechen, unter einem schlechten Mantel pflegt ein guter Trinker zu stecken.«
»Wahrhaftig, gnädige Frau«, antwortete Sancho, »ich habe in meinem Leben noch nicht aus Bosheit getrunken; aus Durst mag wohl sein, denn ich habe nichts von einem Heuchler. Ich trinke, wenn ich Lust habe und wenn ich sie nicht habe und wenn man es mir gibt, um nicht geziert und ungezogen zu scheinen; denn wenn ein Freund eine Gesundheit ausbringt, welch ein marmorsteinernes Herz müßte der haben, der darauf nicht Bescheid tun wollte? Aber wenn ich auch trinke, so ist es doch kein Saufen; um so mehr, da die Stallmeister der irrenden Ritter fast alle ihren gewöhnlichen Trunk Wasser trinken müssen; denn immer sind sie in Einöden, Wäldern und auf Wiesen, Gebirgen und zwischen
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