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Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel Cervantes Saavedra
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mir eine Perle und seine Stimme Zuckerkant, und von nun an, ich meine seitdem, da ich das Unheil eingesehen habe, in welches ich durch diese und ähnliche Verse verfiel, bin ich der Meinung, daß aus guten und wohl eingerichteten Staaten die Poeten vertrieben werden müßten, wie Plato geraten hat, wenigstens die wollüstigen, die Reime schreiben, nicht wie die des Marques von Mantua, welche Kinder und Weiber ergötzen und weinen machen, sondern dergleichen Subtilitäten, die wie süße Dornen in die Seele dringen, wie Blitzstrahlen uns im Innersten verwunden, ohne die Kleider zu verletzen. Ein andermal sang er:
Nahe, Tod, mit leisem Schweben,
Ohne fühlen dich zu lassen,
Daß nicht Freude zu erblassen
Mich von neuem stärkt zum Leben.
    Und noch mehr dergleichen Verschen und Weisen, die gesungen bezaubern und geschrieben entzücken. Wie aber, wenn sie sich gar herablassen, eine Art Verse zu machen, die damals in Candaya üblich waren und die man Seguidillas nannte? Da entstand vollends ein Hüpfen der Seele, ein Aufjauchzen des Gelächters, eine Unruhe des Körpers und mit einem Wort, ein Zittern und Tanzen aller Sinne. Daher sage ich, meine Gnädigsten, daß man dergleichen Reimer mit Recht auf die Eidechseninseln verbannen sollte. Doch haben sie nicht schuld, sondern die Einfältigen, die sie loben, und die Törinnen, die ihnen glauben; und wäre ich die gute Dueña gewesen, die ich sein sollte, so hätten mich seine abgestandenen Subtilitäten nicht gerührt, so hätte ich dem keinen Glauben beigemessen, wenn er sagte: ›Ich lebe sterbend, ich brenne im Frost, ich friere im Feuer, ich hoffe ohne Hoffnung, ich fliehe und bleibe‹, nebst anderen diesen ähnlichen Widersprüchen, mit denen seine Gedichte angefüllt waren. Was soll man nun sagen, wenn sie den arabischen Phönix versprechen, die Krone der Ariadne, die Pferde der Sonne, die Perlen der Südsee, das Gold von Tibar und den Balsam von Pancaya? Hier lassen sie recht ihrer Feder freien Lauf, da es ihnen wenig kostet, das zu versprechen, was sie niemals geben wollen noch können. Aber wohin verirre ich mich? Ach ich Unglückselige! Welche Torheit, welcher Wahnsinn bringt mich dahin, über fremde Fehler zu sprechen, da ich so vieles von meinen eigenen zu erzählen habe? Jawohl, ich Unglückselige! Nicht seine Verse, sondern meine Einfalt brachten mich zum Weichen; nicht seine Gesänge machten mich nachgiebig, sondern mein Leichtsinn, meine große Unklugheit und meine geringe Vorsicht öffneten den Weg und nahmen dem Don Clavijo (denn das ist der Name jenes Ritters) jedes Hindernis aus seiner Bahn. Und da ich nun die Vermittlerin war, befand er sich einmal und öfter in dem Gemach der durch mich und nicht ihn hintergangenen Antonomasia, unter dem Titel eines wirklichen Gemahls, denn so sehr ich mich auch vergangen habe, hätte ich es doch nicht zugegeben, daß er, ohne ihr Mann zu sein, nur die Spitze von der Sohle ihrer Schuhe berührt hätte; nein, nein, ei bewahre! Ehestand muß in jedem Geschäft vorangehen, in welches ich mich einlassen soll. Nur ein Unglück war bei diesem Handel, nämlich die Ungleichheit des Standes, daß Don Clavijo nur ein gewöhnlicher Ritter war und die Infantin Antonomasia, wie schon gesagt, die Erbin des Reichs. Diese Intrige blieb einige Zeit durch meine schlaue Klugheit verborgen und geheimgehalten, bis es mir schien, sie würde durch eine gewisse Geschwulst am Bauche der Antonomasia bekannter werden, aus welcher Besorgnis wir drei eine Beratschlagung anstellten, woraus sich ergab, daß, bevor dieser Handel an das Licht kommen sollte, Don Clavijo von dem Vikarius die Antonomasia zu seiner Frau begehren sollte, kraft einer Schrift, welche die Infantin ausgestellt hatte, seine Gemahlin zu sein, und die vermöge meiner Klugheit so kräftig und bindend war, daß Simson sie selber nicht hätte zerreißen können. Dies geschah mit aller Sorgfalt, der Vikarius sah die Schrift, derselbe Vikarius ließ die Prinzessin beichten; sie beichtete alles, und er gebot ihr, die Schrift bei dem obersten Alguazil, einem sehr geehrten Manne, niederzulegen.«
    Jetzt sagte Sancho: »Also auch in Candaya gibt es Alguazils, Poeten und Seguidillas? Jetzt will ich darauf schwören, es ist allenthalben in der Welt ein und dasselbe; aber eilt Euch, meine gnädige Frau Dreischleppina, denn es ist schon spät, und ich sterbe fast, das Ende dieser langen Geschichte zu erfahren.«
    »Das will ich tun«, antwortete die Gräfin.

39. Kapitel

    In welchem die

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