Don Quixote von la Mancha: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
durchsichtig waren wie der des Dreischleppino, sondern so dicht, daß gar nichts hindurchschimmern konnte. Sowie der lange Dueñenzug völlig eingetreten war, standen der Herzog, die Herzogin und Don Quixote auf, sowie alle, die die weitläufige Prozession wahrnahmen. Die zwölf Dueñen hielten an und bildeten eine Gasse, durch welche die Schmerzenreich hinging, ohne die Hand des Dreischleppino fahren zu lassen. Als der Herzog, die Herzogin und Don Quixote dies sahen, gingen sie ihr zwölf Schritte entgegen, um sie zu empfangen. Sie, auf der Erde niedergekniet, mit einer Stimme, die viel mehr dumpf und rauh als fein und zart lautete, sprach also: »Eure Hoheiten verschonen doch gütigst mit so großer Höflichkeit diesen ihren Diener, wollte sagen Dienerin, denn da ich so schmerzenreich bin, kann ich dergleichen nicht, wie ich sollte, erwidern, weil mein höchst seltsames und unerhörtes Unglück mir den Verstand, ich weiß nicht wohin, entführt hat, doch muß ich ihn für sehr fern halten, denn je mehr ich ihn suche, um so weniger finde ich ihn.«
»Der hätte ihn verloren, Frau Gräfin«, antwortete der Herzog, »der in Eurem Wesen nicht Eure Tugenden gewahr würde, welche ohne weitere Erforschung alle Blüten der Höflichkeit und den ganzen Blumenflor der ausgesuchtesten Zeremonien in Anspruch nehmen dürfen.« Er hob sie zugleich mit der Hand auf und führte sie zu einem Sessel, der neben der Herzogin stand, welche sie ebenfalls mit vieler Güte empfing. Don Quixote schwieg, und Sancho starb vor Neugier, das Gesicht der Dreischleppina oder einer von den vielen Dueñen zu sehen; aber es war ihm nicht möglich, bis sie es freiwillig und aus eigenem Entschlusse zeigten.
Alle waren nun ruhig und beobachteten Schweigen, indem sie darauf warteten, daß einer es brechen sollte, welches auch die Dueña Schmerzenreich mit diesen Worten tat: »Ich bin versichert, erhabenster Gebieter, schönste Gebieterin und verständigste Zuhörer, daß mein leidvollstes Leid in Eurem Busen eine Teilnahme erwecken muß, die ebenso mitleidig als großmütig und schmerzenvoll sein wird, denn es ist von der Art, daß es imstande ist, Marmorsteine zu rühren, Diamanten zu erweichen und den Stahl der härtesten Herzen auf der ganzen Welt zu schmelzen; ehe dieses aber die Schwellen Eures Gehörs, um nicht Ohren zu sagen, erreicht, so bitte ich, laßt mich wissen, ob sich in diesem Schlosse, diesem Kreise und dieser Gesellschaft der erhabenste und manchanischste Ritter Don Quixote und sein stallmeisterlichster Pansa befinden.«
»Der Pansa«, sagte Sancho, ehe noch ein anderer antwortete, »ist hier zugegen und der Don Quixote gleicherweise, so daß ihr, Dueñenhafteste, Schmerzenreichste, sprechen könnt, was Ihr am meistesten wünscht, denn wir alle sind begierig und bereitetst, uns zu zeigen als Eure gehorsamsten Knechteste.«
Jetzt erhob sich Don Quixote, wandte seine Rede gegen die schmerzenreiche Dueña und sagte: »Wenn Euer Leid, bedrängte Dame, sich irgendeine Hoffnung versprechen darf aus Vermittlung irgendeiner Tugend und Stärke irgendeines irrenden Ritters, so biete ich hier die meinige an, die, wie schwach auch und gering, doch gänzlich zu Euren Diensten aufgebraucht werden soll. Ich bin Don Quixote von la Mancha, dessen Pflicht ist, allen Notbedrängten beizustehen; und da dem also ist, wie ihm ist, so habt ihr, Dame, nicht nötig, mein Wohlwollen Euch zu sichern, noch auch Umwege zu suchen, sondern Ihr dürft geradezu und ohne Umschweife Eure Unfälle vortragen, die ein Gehör finden sollen, welches, wenn auch ihnen nicht abhelfen, doch Eure Leiden fühlen wird.«
Als dies die schmerzenreiche Dueña hörte, wollte sie sich zu den Füßen des Don Quixote niederwerfen, warf sich auch nieder und bemühte sich, sie zu umfassen, indem sie sagte: »Vor diesen Füßen und Beinen werfe ich mich hin, o niebesiegter Ritter, denn sie sind die Grundpfeiler und Säulen der irrenden Ritterschaft; küssen will ich sie, diese Füße, deren Schritte mir die Hilfe für mein Elend bringen und erfüllen müssen, o du tapferer Irrender, dessen wirkliche Taten die fabelhaften jener Amadisse, Esplandians und Belianisse übertreffen und verdunkeln!« Dann ließ sie Don Quixote los und wandte sich zu Sancho Pansa, faßte seine Hände und sagte: »O du, treuester Stallmeister, der jemals einem irrenden Ritter in den gegenwärtigen oder in den vergangenen Zeiten gedient hat, du länger an Güte, als es der Bart meines Begleiters Dreischleppino
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