Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
Vom Netzwerk:
habt. Er fragte uns, welcher Teil des Gebirges am wildesten und einsamsten wäre, worauf wir ihm die Gegend nannten, in der wir uns jetzt befinden, und so ist es auch, denn wenn Ihr Euch nur noch eine halbe Meile tiefer hineinbegebt, so findet Ihr vielleicht keinen Rückweg, und es ist schon ein Wunder, wie Ihr nur bis hierher gekommen seid, denn kein Weg noch Fußsteig führt nach dieser Stelle. Wie also der junge Mensch unsre Antwort vernommen hatte, ritt er nach der Gegend fort, die wir ihm bezeichnet hatten, indem uns allen sein schönes Ansehen gefiel und wir uns über seine Fragen verwunderten sowie über die Hast, mit der er alsbald den Weg ins Gebirge einschlug. Seitdem sahen wir ihn nicht mehr, bis er nach etlichen Tagen einem von unsern Hirten begegnete, ohne ein Wort zu sprechen, sich an ihn machte und ihm viele Schläge und Stöße gab, worauf er sich der Schäfertasche bemächtigte und Brot und Käse, das darin war, herausnahm, hierauf aber mit erstaunlicher Schnelligkeit in das Gebirge zurückrannte. Da etliche von uns Ziegenhirten dies erfuhren, gingen wir wohl zwei Tage in den wüstesten Gegenden des Gebirges herum, um ihn zu suchen, worauf wir ihn denn auch in der Höhlung eines großen, dicken Korkbaumes fanden. Er kam sehr ruhig auf uns zu, seine Kleidung war schon zerrissen, sein Angesicht entstellt und von der Sonne verbrannt, so daß wir ihn kaum wiedererkannten, doch gaben uns seine Kleider, ob sie schon zerrissen waren, Merkmale genug, woraus wir abnahmen, daß er der nämliche sei, den wir suchten. Er grüßte uns sehr höflich und sagte uns in wenigen und verständigen Worten, daß wir uns nicht über sein Bezeigen verwundern möchten, denn so müsse er sein Wesen treiben, um eine gewisse Buße zu vollbringen, die ihm wegen seiner mannigfaltigen Sünden auferlegt sei. Wir baten ihn hierauf, daß er uns doch sagen möchte, wer er sei, aber dazu konnten wir ihn nicht bringen; worauf wir ihn auch ersuchten, daß, wenn er zu seinem Unterhalte etwas bedürfte, er uns sagen sollte, wo wir ihn antreffen könnten, denn wir wollten es ihm mit aller Liebe und Freundschaft bringen, wäre aber auch dies nicht nach seinem Wohlgefallen, so möchte er uns wenigstens darum ansprechen, es aber den Hirten nicht mit Gewalt wegnehmen. Er dankte uns für unsre Freundschaft sehr und bat uns wegen der Gewalttätigkeiten um Verzeihung, versprach auch, uns ins künftige, um Gottes willen, darum anzusprechen, ohne jemand Leids zu tun. Was aber seine Wohnung betreffe, fuhr er fort, so habe er keine andre als das, was er gerade fände, wenn ihn die Nacht überraschte. Er endigte seine Rede mit solchem herzdurchdringenden Weinen, daß wir alle, die wir zuhörten, von Stein hätten sein müssen, wenn wir nicht auch geweint hätten, denn wir erinnerten uns, in welcher Gestalt wir ihn das erstemal gesehen hatten und wie wir ihn nun vor uns sahen, denn, wie gesagt, er war ein sehr schöner und ansehnlicher junger Herr, und seine höflichen und wohlgesetzten Reden bewiesen auch, daß er von vornehmer Familie sein mußte, und ob wir, seine Zuhörer, gleich nur Bauersleute waren, so war doch seine Lieblichkeit so stark, daß selbst ein bäuerisches Gemüt davon durchdrungen werden mußte. Indem er nun noch am besten in seiner Rede fortfuhr, hielt er plötzlich inne und verstummte, lange Zeit verschloß er die Augen, indes wir alle verwundert dastanden und warteten, was aus dieser Verzückung werden sollte; es war uns ein kläg licher Anblick, denn sowie er die Augen wieder aufmachte, sah er lange Zeit ganz starr den Boden an, ohne die Augenwimpern zu bewegen, dann drückte er sie wieder zu, rührte die Lippen und zog die Augenbrauen zusammen, woraus wir leichtlich abnahmen, daß ihn wieder ein Anstoß von Wahnsinn überfiele. Er gab uns auch zu erkennen, wie richtig unsre Vermutung gewesen sei, denn wild sprang er plötzlich von der Erde auf und warf sich auf den, der ihm am nächsten stand, mit so großer Gewalt und Wütigkeit, daß, wenn wir ihn ihm nicht aus den Händen rissen, er ihn gewiß mit Faustschlägen und Hieben umgebracht hätte, wobei er beständig ausrief : ›Ha! nichtswürdiger Fernando! Jetzt sollst du deine Beleidigungen bezahlen, diese Hände sollen dir das Herz ausreißen, in welchem alle Bosheiten herbergen und wohnen, vorzüglich Betrug und Hinterlist.‹ Er fügte noch mehr Reden hinzu, die sich alle darauf bezogen, von einem Fernando Übles zu sprechen und ihn als einen Verräter und Nichtswürdigen zu

Weitere Kostenlose Bücher