Don Quixote
einen Bernardo del Carpio gab, nur glaube ich, daß zu den Taten, die man von ihnen erzählt, mehreres hinzugesetzt ist. Was jenen Zapfen, dessen Ihr erwähntet, des Grafen Peters betrifft, der neben dem Sattel des Babieca im königlichen Zeughause hängt, so muß ich gestehen, daß ich so unwissend bin oder ein so kurzes Gesicht habe, daß, ob ich gleich jenen Sattel gesehen, ich dennoch diesen Zapfen nicht bemerkt habe, ungeachtet er von der Größe sein soll, wie Ihr ihn beschrieben habt.«
»Er befindet sich aber dort ohne allen Zweifel«, antwortete Don Quixote, »und zum größten Wahrzeichen muß ich Euch sagen, daß er in einem ledernen Futterale steckt, damit er nicht dem Staube ausgesetzt sei.«
»Es ist wohl möglich«, antwortete der Canonicus, »aber, bei meinem Amte, ich kann mich nicht erinnern, ihn gesehen zu haben. Aber zugegeben, daß er sich dort wirklich befinde, so verpflichtet mich das noch nicht, die Geschichten der vielen Amadisse zu glauben oder der übrigen Ritterscharen, von denen die Erzählungen umgehen, auch ist es kein Grund, daß ein so ehrenvoller Mann wie Ihr, der mit so vielen Talenten und einem so glücklichen Verstande begabt ist, diese vielen und ausschweifenden Torheiten für Wahrheit halten muß, wie doch alles ist, was in den unvernünftigen Ritterbüchern geschrieben steht.«
9. [50.] KAPITEL
Verständiger Streit, welchen Don Quixote mit dem Canonicus führte, nebst andern Begebenheiten
»Nun, das wäre herrlich!« antwortete Don Quixote, »wenn die Bücher, die mit königlicher Bewilligung und mit der Erlaubnis der Aufseher gedruckt werden, die mit allgemeinem Beifall von Hohen und Niedrigen, von Armen und Reichen, von Gelehrten und Ungelehrten, von Gemeinen und Rittern, kurz, von allen Menschen aus allen Ständen und Altern gelesen werden, wenn diese Lügen sein sollten, da sie doch noch überdies uns Vater, Mutter, Vaterland, Verwandten, Alter eines solchen Ritters nennen, wobei sie den Ort anzeigen und ihre Taten Punkt für Punkt und Tag für Tag verfolgen, was solcher Ritter tat oder solche Ritter getan haben? Seid nur still, mein Herr, und sprecht nicht dergleichen Lästerung aus und glaubt mir, daß ich Euch hierin so rate, wie Ihr Euch als ein verständiger Mann betragen müßtet; wollt Ihr nicht Vernunft annehmen, so leset sie nur, und Ihr werdet sehen, welches Ergötzen Euch diese Lektüre verursacht. Sagt mir doch nur, kann es ein größeres Vergnügen geben, als wenn wir geschildert finden, wie sich jetzt vor unseren Augen ein großer See darbietet, von brennendem Pech in vollem Kochen, in welchem sich durcheinander unzählige Schlangen, Nattern, Eidechsen und anderes entsetzliches Gewürme schwimmend bewegen, und daß nun mitten aus dem See eine höchst klägliche Stimme heraustönt und sagt: ›O du Ritter, wer du auch seist, der du diesen entsetzlichen See beschaust, wenn du den Schatz erlangen willst, der unter diesen schwarzen Wogen verborgen liegt, so zeige die Stärke deiner Brust und wirf dich mitten in diesen schwarzen brennenden Pfuhl; tust du dieses nicht, so bist du unwürdig, die hohen Wunder zu schauen, die in den sieben Kastellen der sieben Feien enthalten sind, die unter dieser Dunkelheit verborgen liegen‹? Kaum hat der Ritter diese fürchterliche Stimme vernommen, als er auch sogleich, ohne sich weiter zu bedenken oder die Gefahr zu erwägen, ohne selbst die Last seiner starken Rüstung abzulegen, sich Gott und seiner Dame empfiehlt und so mitten in den kochenden See springt; er kann sich noch nicht sammeln und zu sich kommen, als er sich auf blumenvollen Feldern befindet, mit denen die elyseischen Gefilde selbst keine Vergleichung leiden. Der Himmel scheint hier heller zu leuchten, die Sonne strahlt mit neuem Glanz hernieder, den Augen zeigt sich eine anmutige Flur, mit grünen, schön belaubten Bäumen besetzt, die das Auge mit ihrem Grün ermuntern, das Ohr vernimmt den süßen, lieblichen Gesang von tausend kleinen, bunten Vögelein, die durch die verworrenen Zweige schwärmen. Hier sieht er einen Bach, dessen Wogen wie flüssiges Kristall über reinem Sande und glänzenden Steinen rinnen, die dem geläuterten Golde und reinen Perlen gleichen. Dort zeigt sich ein köstlicher Springbrunnen, aus buntem Jaspis und poliertem Marmor zusammengefügt; dort eine andere, im grotesken Geschmack eingerichtete Grotte, wo zierliche Muscheln und weiße gewundene Schneckenhäuser, in geordneter Unordnung gefaßt, mit Stücken glänzenden Kristalls
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