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TS 82: Geheimagentin der Erde

TS 82: Geheimagentin der Erde

Titel: TS 82: Geheimagentin der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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1.
     
    Der erste Frühlings-Neumond lag in diesem Jahre besonders früh. Die Straße durch die hügelige Landschaft war noch vereist. Abends, wenn die Kolonne haltmachte, mußte man erst einmal an den Lagerfeuern Schnee schmelzen, um Trinkwasser zu erhalten. Doch alle Mitreisenden kannten Heron, der den Zug führte. Sie wußten, daß man sich auf ihn verlassen konnte. Und außerdem war jedem ein Extra-Verdienst sicher, der die Stadt Carrig noch vor dem Tag der Königsjagd erreichte. Denn die Leute dort waren in diesen Tagen der Schneeschmelze besonders gebefreudig.
    Am Nachmittag hatten sie die Außenbezirke von Carrig erreicht. Von den Stützpunkten auf den Hügeln waren die Wächter herabgestiegen, vermummt gegen die Winterkälte, und hatten gleich angefangen, kleine Geschäfte abzuschließen. Die Reisenden kamen wieder in bessere Stimmung. Man wußte, daß die Banditen und Straßenräuber schon seit Menschengedenken einen großen Bogen um den Bezirk der City von Carrig machten, und so atmeten sie alle auf, die Kaufleute, die Treiber, die Mitfahrer, die Soldaten, die zu Fuß oder zu Pferde nach Carrig unterwegs waren.
    Auch Heron, der Führer der kleinen Karawane, wurde noch leutseliger, als er ohnehin schon war. Er war ein großer, breitschultriger Mann mit einem stets lachenden Gesicht. Sie nannten ihn den „Händler“. Aber er hatte Konkurrenten, die ihn beneideten und wegen seines Erfolges haßten, wenn man ihm auch persönlich nicht böse sein konnte.
    In jeder der vier Städte, zwischen denen er regelmäßig hin- und herreiste, hatte er ein Haus und eine Frau. Doch nirgends konnte er Ruhe finden. Den letzten Winter zum Beispiel hatte er mit einer geschäftlichen Unternehmung jenseits der See verbracht, in die der Fluß von Carrig mündete.
    Erst vor ein paar Wochen war er zurückgekommen, und nun saß er da auf seinem Pferd, den flachen Hut in den Nacken geschoben, und die zwei Umhänge, die er übereinandergelegt trug, flatterten um ihn herum.
    Neben ihm ritten zwei Männer aus dem Südland, mit denen er sich unterwegs ein wenig angefreundet hatte. Fast bei jeder Karawane nach Carrig traf man ein paar Südländer. Die meisten waren Kaufleute oder Handwerker, die gehört hatten, daß ihre Fähigkeiten im Norden sehr gefragt waren. Und manche von ihnen waren auch Leute, die man zu fünf oder zehn Jahren Verbannung verurteilt hatte. Und schließlich kamen aus dem Süden auch Schausteller, die für die Sommersaison im Norden ein aufnahmebereites Publikum erhofften.
    Heron hatte sich für die beiden Männer interessiert, die neben ihm ritten, weil sie zu keiner dieser Gruppen zu gehören schienen. Sie waren offenbar recht gebildet, benahmen sich wie Leute mit guter Erziehung. Reich konnten sie nicht sein, denn jeder von ihnen besaß nicht mehr als zwei Reittiere und ein Paket mit Kleidung und Reisevorräten, das abwechselnd mal dem einen, mal dem anderen Tier aufgeschnallt wurde. Beide waren ohne Angehörige unterwegs.
    Sie hießen Belfeor und Pargetty, aber auch daraus konnte man nichts schließen, denn diese Namen waren im Süden sehr häufig. Heron hatte sich im stillen gedacht, daß es sich vermutlich um zwei Söhne vornehmer Familien handelte, die unterwegs waren, um Abenteuer und Erfolg zu suchen.
    Er interessierte sich sehr für die zwei jungen Leute. Denn in den Gesprächen abends am Lagerfeuer hatten sie mit einer skeptischen, vorurteilslosen Vernunft gesprochen, die in diesem abergläubischen Volk selten war. Sie hatten sogar den Göttern das Recht bestritten, die Lebewesen bei jedem Schritt zu leiten und zu lenken. Heron hoffte, die beiden nicht aus dem Auge zu verlieren, wenn sie in Carrig angekommen waren.
     
    *
     
    Die Stadt Carrig war wie ein Pilz aus dem Boden geschossen. Die ungewöhnlich günstige Lage förderte das Wachstum der City. Die Smoking Hills, die „Rauchenden Berge“, umfaßten die Stadt im Norden und gaben ihr Windschutz. Der Boden der näheren Umgebung, ursprünglich vulkanische Lava, die dann verwittert war, erwies sich als besonders fruchtbar, so daß die Stadt die erforderlichen Lebensmittel aus nächster Nähe beziehen konnte.
    Einige Meilen vor den Stadtmauern strömte der große Fluß vorbei, der hier schon aus einem schäumenden Bergwasser zu einem breiten, friedlichen und schiffbaren Strom geworden war und sich weiter westlich in den Ozean ergoß. Der Fluß hatte viele Leute reich gemacht. Die Schiffbauer und die Fischhändler waren die besten Steuerzahler der

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