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Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
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entartetes Zeitalter ist nicht würdig, eines solchen Gutes zu genießen, wie es jene Zeitalter genossen, als die irrenden Ritter die große Pflicht auf ihre Schultern nahmen, Königreiche zu verteidigen, Jungfrauen beizustehen, Waisen und Unmündigen zu helfen, die Übermütigen zu züchtigen und Demütige zu belohnen. Die meisten Ritter, die man heutzutage sieht, knarren von Seide, Brokat und reichen Gewändern, womit sie sich bekleiden, statt daß das Panzerhemde rasseln sollte. Jetzt gibt es keinen Ritter, der auf den Feldern schläft, ganz dem Ungestüm des Himmels unterworfen, mit allen seinen Waffenstücken vom Kopfe bis zu den Füßen gewaffnet; jetzt gibt es keinen, der, ohne den Fuß aus dem Steigbügel zu heben, auf seine Lanze gestützt, sich nur einen leisen Schlummer vergönnt, wie es die vormaligen irrenden Ritter taten. Jetzt gibt es keinen, der hier aus dem Walde kommt, sich dort ins Gebirge begibt und von da zur unfruchtbaren und wüsten Meeresfläche gelangt, die stürmisch und aufgewühlt tobt, wo er an der Küste einen kleinen Nachen findet, ohne Ruder, Segel, Mast noch anderem Zubehör, hinein mit unverzagtem Herzen springt und sich den unerbittlichen Fluten des tiefen Meeres überläßt, die ihn bald zum Himmel schleudern, bald hinab zum Abgrunde stürzen, er aber, die Brust dem unabkämpfbaren Sturme entgegengestellt, findet sich, als er es am wenigsten denkt, mehr als dreitausend Meilen von dem Orte entfernt, wo er sich einschiffte; indem er nun ein fernes, unbekanntes Land betritt, begegnen ihm Dinge, die wert sind, nicht auf Pergament, sondern in Erz geschrieben zu werden. Aber jetzt triumphiert die Trägheit über den Fleiß, der Müßiggang über die Arbeit, das Laster über die Tugend, die Prahlerei über die Tapferkeit, die Theorie über die Ausübung der Waffen, die nur in jenen goldenen Zeitaltern und nur durch die irrenden Ritter lebten und glänzten. Wo nicht, so sage man mir doch, wer war edler und tapferer als der berühmte Amadis von Gallia? Wer verständiger als Palmerin von England? Wer umgänglicher und handlicher als Tirante der Weiße? Wer artiger als Lisuarte von Graecia? Wer mehr vom Schwerte getroffen und mit dem Schwerte treffend als Don Belianis? Wer unerschrockener als Perion von Gallia? Wer mehr ein Verächter der Gefahr als Felixmarte von Hircania? Wer aufrichtiger als Esplandian? Wer verwegener als Don Cirongilio von Thracia? Wer mutiger als Rodomont? Wer vorsichtiger als der König Sobrino? Wer kecker als Reinald? Wer unüberwindlicher als Roland? Und wer prächtiger und höflicher als Rugero, von dem die jetzigen Herzoge von Ferrara abstammen, nach der Kosmographie des Turpin? Alle diese Ritter und viele andere, die ich noch nennen könnte, Herr Pfarrer, waren irrende Ritter, das Licht und die Glorie der Ritterschaft. Solchergestalt oder ihnen ähnlich müßten die Ritter sein, die in meinen Plan taugten, und wäre dem so, so würde sich Seine Majestät trefflich bedient finden und viele Unkosten sparen, und der Türke dürfte sich nur den Bart ausraufen; und hiermit will ich denn in meinem Gemache bleiben, da der Kapellan mich nicht mit sich nimmt, und wenn Jupiter, wie der Barbier gesagt hat, nicht regnen will, so bin ich noch da, der es wird regnen lassen, sooft es ihm gefällt. Dies sage ich nur, damit Herr Bartbecken merke, daß ich ihn verstehe.«
    »Wahrlich, Herr Don Quixote«, sagte der Barbier, »ich sagte es nicht deshalb, und so helfe mir Gott, wie meine Absicht gut war, so daß Ihr es nicht übelnehmen könnt.«
    »Ob ich es übelnehmen kann oder nicht«, antwortete Don Quixote, »ist mir recht wohl bewußt.«
    Hierauf sagte der Pfarrer: »Zum Glück habe ich bisher noch fast kein Wort gesprochen und möchte doch gern eines Skrupels loswerden, der mir im Gewissen nagt und beißt und der aus dem, was Herr Don Quixote gesagt hat, entstanden ist.«
    »Nebst vielen anderen Dingen«, antwortete Don Quixote, »ist dem Herrn Pfarrer auch dieses zu sagen erlaubt ; er nenne also seinen Skrupel, denn es ist nichts Angenehmes, einen Skrupel im Gewissen zu behalten.«
    »Mit dieser gütigen Erlaubnis«, antwortete der Pfarrer, »sage ich also, daß mein Skrupel darin besteht, daß ich mich auf keine Weise überreden kann, jener Haufe irrender Ritter, den Ihr, mein gnädiger Herr Don Quixote, namhaft gemacht, sei wirklich gewesen, als ordentliche Personen aus Fleisch und Gebein geformt; ich stelle mir vor, daß alles Erfindungen, Fabeln, Lügen und Träume sind,

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