Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
Vom Netzwerk:
von aufgeweckten oder, richtiger zu reden, halb eingeschlafenen Leuten erzählt.«
    »Dieses ist ein anderer Irrtum«, antwortete Don Quixote, »in den viele verfallen sind, daß sie nämlich nicht glauben wollen, es habe dergleichen Ritter in der Welt gegeben, auch habe ich schon oftmals bei verschiedenen Leuten und bei mancherlei Gelegenheit diesen fast allgemeinen Irrtum durch das Licht der Wahrheit verdrängen wollen; einigemal ist mir meine Absicht nicht gelungen, je zuweilen doch, indem ich mich auf die Schultern der Wahrheit stützte. Diese Wahrheit ist so ausgemacht, daß ich sagen möchte, ich habe mit meinen eigenen Augen den Amadis von Gallia gesehen; er war ein Mann von hoher Statur, von weißem Angesicht, schön gewachsenem Barte, der aber schwarz war, sein Blick war halb sanft und halb streng, im Sprechen war er kurz, langsam zum Zorn und schnell, den Eifer zu besänftigen; und so, wie ich jetzt den Amadis beschrieben habe, könnte ich, wie ich glaube, alle irrenden Ritter aller Historien in der ganzen Welt darstellen und ausmalen; denn ich bin der Meinung, wenn man sie so ansieht, wie die Historie sie beschreibt, wenn man die Taten, die sie verrichteten, erwägt, daß man daraus durch richtige Schlüsse ihre Mienen, ihre Gesichtsfarbe und Statur erraten kann.«
    »Wie groß glaubt Ihr denn, mein Herr Don Quixote«, fragte der Barbier, »daß der Riese Morgante gewesen sein müsse?«
    »In Ansehung der Riesen«, antwortete Don Quixote, »sind
    die Meinungen geteilt, ob es ihrer in der Welt gegeben habe oder ob nicht; die Heilige Schrift aber, die sich nicht um ein Atom von der Wahrheit entfernen kann, zeigt uns, daß es ihrer allerdings gab, indem sie uns die Geschichte jenes Philisterungetüms Goliath erzählt, der sieben und eine halbe Elle hoch war, welches eine ungemeine Größe ist. Auch hat man auf der Insel Sizilien so große Bein- und Schulterknochen gefunden, daß ihre Größe beweist, sie müssen Riesen zugehört haben, die so groß wie die Türme gewesen sind, welche Wahrheit die Geometrie außer allen Zweifel gesetzt hat. Dessenungeachtet kann ich nicht mit Zuverlässigkeit sagen, wie groß der Morgante gewesen sei, ob ich mir gleich vorstelle, daß er nicht so gar hoch gewachsen; ich schließe dieses daraus, daß man in der Historie, die seiner Taten ausdrücklich erwähnt, geschrieben findet, wie er oftmals unter einem Dache geschlafen. Da er also Häuser fand, in die er eingehen konnte, so folgt daraus klar, daß seine Größe nicht so gar ungeheuer gewesen sei.«
    »Sehr natürlich«, sagte der Pfarrer, dem es ein Vergnügen machte, diesen Unsinn anzuhören; er fragte ihn daher, wie er über die Gesichter des Reinald von Montalban und des Don Roldan nebst den übrigen zwölf Pairs von Frankreich dächte, denn alle seien irrende Ritter gewesen.
    »Vom Reinald«, antwortete Don Quixote, »unterstehe ich mich zu behaupten, daß er ein breites Gesicht hatte, eine lebhafte Gesichtsfarbe, bewegliche und etwas hervorstehende Augen, übermäßig war er empfindlich und cholerisch und ein Freund von Räubern und schlechten Gesellen. Vom Roldan, Rotolando oder Orlando – denn die Geschichten nennen ihn mit allen diesen Namen – bin ich der Meinung und des festen Glaubens, daß er von mittlerer Statur war, von breiten Schultern, etwas säbelbeinig, braun von Gesicht und rotbärtig, am Körper haarig und mit einem dräuenden Blick, im Sprechen kurz, aber äußerst höflich und wohlerzogen.«
    »Wenn Roldan nicht anmutiger war, als Ihr ihn da geschildert habt«, versetzte der Pfarrer, »so war es kein Wunder, daß die Dame Angelika die Schöne ihn verschmähte und dafür die Artigkeit, Schönheit und Lieblichkeit erwählte, die der kleine milchbärtige Mohr besessen haben muß, dem sie sich ergab. Sie handelte darin verständig, sich eher in die Zartheit des Medoro als in die Rauheit des Roldan zu verlieben.«
    »Diese Angelika, Herr Pfarrer«, antwortete Don Quixote, »war ein schwärmerisches Mägdlein, eine Landstreicherin und etwas eigensinnig; sie erfüllte die Welt gleich sehr mit dem Rufe ihrer Unbesonnenheiten als ihrer Schönheit. Sie verstieß tausend Herren, tausend Tapfere und tausend Verständige und begnügte sich mit einem Weißbärtchen, einem Pagen, der ohne andern Wert und Namen war als den, welchen ihm die Treue zu seinem Freunde gab. Der große Sänger ihrer Schönheit, der berühmte Ariosto, weil er es nicht wagte oder weil er das nicht besingen mochte, was dieser Dame nach

Weitere Kostenlose Bücher