Don Quixote
ihrer gemeinen Wahl begegnet ist – Dinge, die vielleicht nicht überflüssig ehrbar sind –, läßt sie fahren und sagt:
Und wie sie drauf sich ließ zu Catai krönen, Singt wohl ein andrer einst in kühnern Tönen.
Und dies ist ohne Zweifel eine Prophezeiung gewesen; denn die Poeten heißen auch Vates, welches soviel bedeutet als solche, die etwas vorhersehen. Diese Wahrheit zeigt sich deutlich; denn seitdem hat ein berühmter andalusischer Poet ihre Tränen beweint und besungen, so wie ein andrer berühmter, ja einziger kastilianischer Poet ihre Schönheit besungen hat.«
»Sagt mir doch, Herr Don Quixote«, sprach hierauf der Barbier, »hat es nicht auch irgendeinen Poeten gegeben, der Satiren gegen diese Dame Angelika geschrieben hat, da so viele ihr Lob gepriesen haben?«
»Ich glaube wohl«, antwortete Don Quixote, »daß, wenn Sacripante oder Roldan Poeten gewesen wären, sie das Mägdlein wacker würden durchgehechelt haben; denn es ist den verschmähten und unglücklichen Poeten eigen und natürlich, sich an ihren erdichteten Damen oder den erdichteten Namen derer, die sie erst zu Gebieterinnen ihrer Gedanken erwählten, durch Satiren und Schmähschriften zu rächen: eine Rache, die einer edlen Seele durchaus unwürdig ist. Aber jetzt ist mir kein beschimpfender Vers gegen die Dame Angelika bewußt, der in der Welt ein Aufsehen gemacht hätte.«
»Das ist ein Wunder«, sagte der Pfarrer. Indem hörten sie die Haushälterin und Nichte, die die Gesellschaft schon verlassen hatten, laut im Hofe schreien, auf welches Geräusch sie alle hinzuliefen.
2. KAPITEL
Welches von dem merkwürdigen Zwiste handelt, den Sancho Pansa mit Don Quixotes Nichte und Haushälterin hatte, nebst andern lustigen Vorfällen
Die Geschichte meldet, daß das Schreien, welches Don Quixote, der Pfarrer und Barbier vernahmen, von der Nichte und Haushälterin herrührte, die mit Sancho Pansa zankten, der sich beeiferte hineinzugehen, um Don Quixote zu besuchen, die ihn aber mit den Worten vor der Tür zurückhielten: »Was will der Landläufer hier im Hause? Seht nach dem Eurigen, Freund, denn Ihr seid es und kein anderer, der unsern Herrn verführt und herumschleppt und ihn auf allen Wegen und Stegen herumtreibt.«
Worauf Sancho antwortete: »Verteufelte Haushälterin, wer verführt und weggeschleppt wird und auf Wegen und Stegen herumgetrieben, das bin ich und nicht dein Herr; er schleppt mich durch die Länder, und Ihr seid ganz unrecht berichtet; er hat mir was weisgemacht und mich so aus meinem Hause gelockt, denn er hat mir eine Insel versprochen, auf die ich noch bis diese Stunde warte.«
»Daß du doch an den verfluchten Inseln erwürgtest, verwünschter Sancho!« antwortete die Nichte. »Inseln! und was sind denn Inseln? Ist es was zu fressen, du Schlinghals, du Freßhans du?«
»Es ist nichts zu fressen«, versetzte Sancho, »sondern zu regieren und zu gubernieren, mehr als mit vier Städten oder als vier Staatsräte zu tun haben.«
»Doch«, sagte die Haushälterin, »sollst du hier nicht hereinkommen, du Unglückskerl, der mit lauter Bosheit vollgestopft ist! Regiere dein Haus und pflüge deine halbe Hufe und schweig endlich von deiner Insel, Pinsel!«
Der Pfarrer und Barbier ergötzten sich sehr, das Gespräch von den dreien anzuhören; Don Quixote aber, welcher befürchtete, Sancho möchte in seiner boshaften Einfalt Dinge hervorsprudeln und von sich geben und Punkte berühren, die nicht zu seiner Ehre ausschlagen dürften, rief ihn und machte, daß die beiden schwiegen und ihn zur Tür hineinließen. Sancho kam herein, und der Pfarrer und Barbier nahmen von Don Quixote Abschied, an dessen Wiederherstellung sie nun völlig verzweifelten, da sie sahen, wie fest er auf seinen unvernünftigen Gedanken beharrte und wie versunken er in die Torheit seiner unglückseligen Ritterschaft sei. Daher sagte der Pfarrer zum Barbier: »Ihr werdet sehen, Gevatter, wenn wir am wenigsten daran denken, wird sich unser Edler von neuem aufmachen, um vom Stapel zu laufen.«
»Ich zweifle gar nicht daran«, antwortete der Barbier, »ich verwundere mich aber nicht so sehr über die Narrheit des Ritters als über die Dummheit des Stallmeisters, der das mit der Insel so fest glaubt, daß nichts in der Welt ihm diesen Glauben aus dem Kopfe bringen könnte.«
»Gott helfe beiden«, sagte der Pfarrer, »wir wollen nur aufmerksam sein, um zu sehen, wo es mit diesem Wirrwarr von Tollheiten eines solchen Ritters und eines solchen
Weitere Kostenlose Bücher