Don Quixote
Lanzenstich in den Flügel, den der Wind so heftig herumdrehte, daß die Lanze in Stücke sprang, Pferd und Reiter aber eine große Strecke über das Feld weggeschleudert wurden.
Sancho Pansa trabte mit der größten Eilfertigkeit seines Esels herbei, und als er hinzukam, fand er, daß Don Quixote sich nicht rühren konnte, so gewaltig war der Sturz, den Rozinante getan hatte. »Gott steh uns bei!« sagte Sancho, »sagte ich's Euer Gnaden nicht, daß Ihr zusehen möchtet, was Ihr tätet, und daß es nur Windmühlen wären, die ja auch jeder kennen muß, wer nicht selber welche im Kopfe hat!« – »Gib dich zur Ruhe, Freund Sancho«, antwortete Don Quixote, »das ist Kriegesglück, das am meisten von allen Dingen einem ewigen Wechsel unterworfen ist; um so mehr, da ich glaube und es auch gewiß wahr ist, daß eben der weise Freston, der mir mein Zimmer und meine Bücher geraubt hat, mir auch jetzt diese Riesen in Mühlen verwandelt, um mir den Ruhm ihrer Besiegung zu entreißen. So groß ist die Feindschaft, die er zu mir trägt! Aber endlich, endlich wird er doch mit allen seinen bösen Künsten nichts gegen die Tugend meines Schwertes vermögen!«
»Gott mag es so fügen«, antwortete Sancho Pansa, indem er sich bemühte, ihn aufzurichten; worauf er ihn auf den Rozinante setzte, der halb buglahm war, und so verfolgten sie, indem sie sich von dem überstandenen Abenteuer unterhielten, den Weg nach dem Passe Lapice. Dort, meinte Don Quixote, müsse es viele und mancherlei Abenteuer geben, weil hier so viele Menschen durchreiseten; über den Verlust seiner Lanze war er sehr betreten, und indem er darüber mit seinem Stallmeister sprach, sagte er: »Ich erinnere mich gelesen zu haben, daß ein spanischer Ritter, Diego Perez de Vargas genannt, als in einer Schlacht sein Schwert zersprang, er einen gewaltigen Zweig oder Ast von einer Eiche riß und mit diesem am selbigen Tage solche Taten verrichtet und so viele Mohren zerschlug, daß er den Zunamen des Zerschlägers annahm, von welcher Begebenheit sich auch späterhin seine Nachkommen Vargas und Zerschläger nannten. Dieses wird darum erzählt, weil auch ich von der ersten Steineiche einen Zweig abzureißen gedenke, der gerade so gewaltig ist wie jener und mit welchem ich mir sol cherlei Taten zu tun in den Sinn gesetzt, daß du dich glücklich preisen wirst, dazu auserlesen zu sein, sie anzuschauen und ein Zeuge von Dingen zu werden, die man kaum wird glauben können.«
»Das gebe Gott«, sagte Sancho, »ich glaube auch alles, wie es Euer Gnaden da erzählt, aber setzt Euch doch ein bißchen gerade, denn mir dünkt, Ihr hängt so auf der Seite; das ist gewiß noch ein Malzeichen von dem Falle.«
»Es ist wahr«, antwortete Don Quixote, »und wenn ich aus Schmerz nicht klage, so geschieht es nur, weil es irrenden Rittern nicht ziemlich ist, über irgendeine Wunde zu klagen, und wenn selbst die Eingeweide hindurchkämen.«
»Wenn dem so ist, so läßt sich nichts dagegen sagen«, antwortete Sancho, »aber das weiß Gott, daß Ihr mir eine Liebe tätet, wenn Ihr klagtet, falls es Euch irgendwo weh tut ; von mir kann ich versichern, daß ich mich über den allerkleinsten Schmerz beklage, wenn es sich nicht auf die Stallmeister der irrenden Ritter ebenfalls erstreckt, daß sie nicht klagen dürfen.«
Don Quixote mußte über die Einfalt seines Stallmeisters lachen und antwortete, daß er sich beklagen könne, wie und wie oft es ihm beliebe, denn er habe bis dahin noch nichts vom Gegenteil in den Vorschriften der Ritterschaft gelesen. Sancho sagte, daß er bedenken möge, wie es Zeit sei, zu essen. Sein Herr erwiderte, daß er es bis jetzt noch nicht bedürfe, daß er aber essen könne, wann er wolle. Mit dieser Erlaubnis richtete sich Sancho auf seinem Tiere so bequem ein, als er nur konnte; er nahm aus dem Schnappsacke, was er hineingepackt hatte, und so folgte er reitend und essend seinem Herrn sehr gemächlich, indem er von Zeit zu Zeit den Schlauch mit so vielem Behagen an den Mund setzte, daß ihn der ausgelernteste Gastwirt von Malaga hätte beneiden können. Wie er nun so fortzog und die Schlückchen immer schneller wiederholte, gedachte er keines Versprechens mehr, das ihm sein Herr getan hatte, hielt es auch für keine Beschwerde, sondern für eine große Ergötzung, herumzuirren und Abenteuer aufzusuchen, wenn sie auch noch so gefährlich sein sollten.
Sie mußten endlich die Nacht unter einigen Bäumen zubringen, und von dem einen Baume brach Don Quixote
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