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Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
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auf das er sich nicht verlassen konnte, aber er mußte sich begnügen, seinen Degen zu ergreifen. Es fügte sich gut für ihn, daß er der Kutsche nahe war, aus der er ein Kissen nehmen konnte, das ihm zum Schilde diente, und nun gingen die beiden gegeneinander, als wären sie die tödlichsten Feinde gewesen. Die übrigen suchten Frieden zu stiften, aber vergeblich, denn der Biscayer erklärte mit seinen verkehrten Reden, wenn sie ihm seine Schlacht nicht ausfechten ließen, er seine Herrschaft und alle andern totmachen wollte, die ihn stören würden. Die Dame in der Kutsche, von dem, was sie sah, erschreckt und entsetzt, bedeutete den Kutscher, etwas beiseite zu fahren, und so wollte sie von weitem dem hartnäckigen Kampfe zuschauen.
    Zum Anbeginnen gab der Biscayer dem Don Quixote über der Schulter und über dem Schilde einen so gewaltigen Hieb, daß, wenn der Schild ihn nicht geschützt hätte, der Ritter davon bis auf den Gürtel gespalten wäre. Don Quixote, der das Gewicht dieses ungeheuerlichen Hiebes fühlte, rief mit lauter Stimme: »O Gebieterin meiner Seele, Dulcinea! Blume der Schönheit! Helft Eurem Ritter, der, Eurer hohen Trefflichkeit genugzutun, sich in diesem hartnäckigen Kampfe befindet!« Dies sprechen, das Schwert schwingen, sich mit dem Schilde schirmen und auf den Biscayer zustürmen geschah alles in demselben Augenblicke, fest entschlossen, alles auf das Glück eines einzigen Hiebes ankommen zu lassen. Der Biscayer, der ihn also auf sich zustürzen sah, konnte in seiner Gebärde wohl seinen Mut erkennen und war willens, es eben wie Don Quixote zu machen. Er erwartete ihn also, von seinem Kissen beschirmt, wobei er sein Maultier weder auf die eine noch die andre Seite wenden konnte, denn vor Müdigkeit, und auch weil es an dergleichen Possen nicht gewöhnt war, konnte es keinen Schritt tun.
    Also, wie gemeldet, rannte Don Quixote gegen den vorsichtigen Biscayer, das Schwert geschwungen und mit dem Vorsatze, ihn mitten durchzuhauen. Ebenso erwartete ihn der Biscayer, das Schwert geschwungen, von seinem Kissen geschirmt, und alle Umstehenden voll Furcht und Erwartung, was sich aus diesen gräßlichen Hieben ergeben möchte, mit denen sie sich beiderseits bedrohten; die Dame in der Kutsche und ihre Bedienten taten allen Heiligenbildern und Kapellen in Spanien tausend Gelübde, daß Gott ihren Diener und sie selber aus einer so großen Gefahr erretten möge.
    Das ist aber nun schade und zu beklagen, daß in diesem Moment und Zeitpunkt der Autor dieser Historie diese Schlacht abbricht, mit der Entschuldigung, daß er nichts Weiteres von Don Quixotes Taten vorgefunden, als was er bereits erzählt habe. Der zweite Autor dieses Werkes konnte aber unmöglich glauben, daß eine so treffliche Geschichte so ganz der Vergessenheit sollte überliefert sein oder daß die herrlichen Köpfe in la Mancha so wenig Wißbegier haben sollten, daß sich nicht noch in den Archiven oder in einigen Schreibpulten Papiere vorfinden dürften, die von diesem berühmten Ritter Meldung tun. Diesen Gedanken also nährend, verzweifelte er nicht, den Schluß dieser anmutigen Historie anzutreffen, welches ihm auch, unter Begünstigung des Himmels, auf die Weise gelungen ist, die im zweiten Teile erzählt werden soll.

    I I . B U C H

    1. [9.] KAPITEL
Beschließt und endigt den gräßlichen Zweikampf, den der
wackere Biscayer und der tapfere Manchaner fochten

    Im ersten Teile dieser Historie verließen wir den tapfern Biscayer und den berühmten Don Quixote mit aufgehobenen blanken Schwertern, beabsichtigend, zwei mörderliche Hiebe zu geben, die, wenn sie vollwichtig fielen, sie gewiß bis auf den Sattelknopf teilen und zerspalten und sie wie Granatäpfel entzweischneiden mußten. In diesem furchtbaren Momente stand die treffliche Geschichte still und brach ab, ohne daß uns der Autor einige Nachricht gegeben hätte, wo man das Mangelnde antreffen könne.
    Dies verursachte mir großen Verdruß, denn das Vergnügen, das mir das wenige gemacht hatte, verwandelte sich in Mißvergnügen, wenn ich an die Unannehmlichkeiten dachte, die ich würde überwinden müssen, ehe ich die größere Hälfte, die mir noch zu fehlen schien, der herrlichen Geschichte aufgefunden hätte. Denn es schien mir unmöglich und ein Verstoß gegen alle gute Sitten, daß einem so wackern Ritter ein Weiser sollte gemangelt haben, der es auf sich genommen, seine unerhörten Taten zu beschreiben; etwas, woran es keinem irrenden Ritter gefehlt hat, von denen,

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