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Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
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verdienen.

    3. [10.] KAPITEL
    Erzählt die List, welche Sancho ausmittelte, um die Dame Dulcinea zu bezaubern, nebst andern ebenso
    lächerlichen als wahrhaftigen Begebenheiten

    Indem der Verfasser dieser großen Geschichte den Inhalt des gegenwärtigen Kapitels vortragen will, bemerkt er, daß er es lieber mit Stillschweigen übergehen möchte, weil er befürchtet, daß man ihm nicht glauben wird; denn die Torheiten des Don Quixote erreichen hier die Grenze und den Gipfel der allergrößten, die man nur immer ersinnen kann, ja sie gehen noch zwei Steinwürfe über die allergrößten hinaus. Er hat sie aber bei dieser Furcht und Besorgnis dennoch gerade so beschrieben, wie jener sie ausübte, ohne etwas hinzuzufügen oder der Historie ein Atom der Wahrheit zu nehmen, ohne auf jene Einwendungen Rücksicht zu nehmen, die das Ganze eine Lüge nennen möchten. Hierin handelte er recht, denn die Wahrheit läßt sich weit ausstrecken, aber nicht zerbrechen; sie bleibt immer über der Lüge, wie das Öl über dem Wasser. Und darum setzt er die Historie fort und erzählt, daß, als Don Quixote sich in die Wildnis, dem Eichengebüsch oder Walde in der Nähe des großen Toboso verborgen hatte, er dem Sancho befahl, nach der Stadt zurückzukehren und zu ihm nicht eher zurückzukommen, bis er mit seiner Dame seinerseits gesprochen habe, sie anflehend, daß sie es ihrem gefangenen Ritter erlaube, sie zu sehen, und sie von der Gnade sei, ihm ihren Segen zu erteilen, damit er hoffen könne, für sie alle seine Unternehmungen und die schwierigsten Kämpfe mit glücklichem Erfolge gekrönt zu sehen.
    Sancho nahm es über sich, alles so auszurichten, wie er es befahl, und ihm eine ebenso gute Antwort zurückzubringen, als er ihm das erstemal gebracht habe. »Geh, mein Sohn«, versetzte Don Quixote, »und sei nicht erschrocken, wann du dich vor dem Glanze der Schönheitssonne siehst, die du aufzusuchen gehst. O du vor allen Stallmeistern in der ganzen Welt Hochbeglückter! Behalte es in deinem Gedächtnisse und laß es dir ja nicht entfallen, wie sie dich aufnimmt, ob sie die Farbe verändert, indem du ihr meine Gesandtschaft ablegst, ob sie beunruhigt und verwirrt wird, wenn sie meinen Namen hört, ob sie sich auf die Kissen lehnt, wenn du sie etwa auf ihrem reichen und köstlichen Ruhebette findest. Und wenn sie auf ihren Füßen steht, so gib wohl Achtung, ob sie sich bald auf den linken, bald auf den rechten stellt, ob sie die Antwort, die sie dir gibt, zwei- bis dreimal wiederholt, ob sie sie aus einer sanften in eine harte, aus einer spröden wieder in eine zärtliche umändert, ob sie die Hand erhebt, um das Haar in Ordnung zu bringen, ob es sich gleich in keiner Verwirrung befindet. Kurz, mein Sohn, beobachte alle ihre Handlungen und Bewegungen; denn wenn du mir nachher alles erzählst, wie es sich zugetragen hat, so kann ich dadurch das ergründen, was sie in den geheimsten Tiefen ihres Herzens verbirgt, meine Liebesbegebenheiten anbetreffend. Denn du mußt wissen, Sancho, wenn du es noch nicht weißt, daß bei den Liebenden die äußern Handlungen und Bewegungen, die sie vornehmen, wenn von ihrer Liebe die Rede ist, die gewissesten Boten sind, die die Nachrichten von dem überbringen, was im Innern der Seele vorgeht. Nun geh, mein Freund, und es werde dir ein besseres Glück als das meinige; es begegne dir ein günstiger Geschick, als ich hier in der bittern Einsamkeit, in welcher du mich zurücklassest, fürchte und erwarte.«
    »Ich gehe und will bald zurückkommen«, sagte Sancho. »Macht nur, gnädiger Herr, Euer kleines Herzchen weiter, welches jetzt nicht größer als eine Haselnuß sein kann. Bedenkt, daß man zu sagen pflegt: An einem braven Herzen prallt das Unglück ab, und wo kein Stall ist, da sind auch keine Krippen; auch pflegt man zu sagen: Wo man's nicht denkt, da springt der Hase auf. Ich meine nur, daß, wenn wir in der Nacht nicht die Paläste oder Burgen unserer Dame finden konnten, ich sie jetzt wohl am Tage finde, wo ich's am wenigsten denke; und habe ich sie einmal gefunden, so laßt mich nur machen.«
    »Wahrlich, Sancho«, sagte Don Quixote, »du ziehst deine Sprichwörter bei den Haaren herbei; nun möge nur Gott meine Wünsche besser erfüllen, als sie zur Sache passen.«
    Nachdem dieses gesprochen war, wandte sich Sancho um und trieb den Grauen an, und Don Quixote blieb zu Pferde, in den Steigbügeln ruhend und auf seine Lanze gestützt, voller traurigen und sehr verworrenen Vorstellungen; womit

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