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Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
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der vermeintliche Vater dieser Melisendra, der verdrießlich ist, da er den Müßiggang und die Sorglosigkeit seines Eidams sieht; er kommt jetzt heraus, um ihn auszuschelten. Seht nur, wie heftig und eifrig er mit ihm schilt; sieht es doch nicht anders aus, als wenn er ihm mit dem Szepter ein halb Dutzend Kopfstöße gäbe, und es gibt auch Autoren, welche behaupten, daß er sie ihm gegeben, und zwar tüchtig. Und nachdem er ihm viele Vorstellungen getan, welche Gefahr seine Ehre liefe, wenn er seiner Gemahlin nicht die Freiheit verschaffte, sagte er zuletzt noch: ›Nun hab ich's gesagt; erwägt es!‹
    Sehen meine Herren nun, wie der Kaiser sich wieder umwendet und wie Don Gaiferos im höchsten Verdrusse zurückbleibt; sehen Sie nur, wie er, ungeduldig vor Zorn, Brettspiel und Steine weit von sich wegschmeißt und hastig seine Waffen begehrt; wie er seinen Vetter Don Roldan bittet, ihm sein Schwert Durindana zu leihen, und wie Don Roldan ihm solches nicht leihen will, ihm aber bei der schwierigen Unternehmung, der er sich unterzieht, seine Gesellschaft anbietet. Aber der tapfere Erzürnte will sie nicht annehmen; er sagt vielmehr, daß er allein hinreiche, seine Gemahlin zu erlösen, und wenn sie mitten in den Abgründen der Erde verborgen wäre. Hiermit geht er fort, um sich zu rüsten und sich alsbald auf den Weg zu machen.
    Wenden nunmehr meine Herren die Augen nach jenem Turme, der sich dort zeigt. Er stellt einen von den Türmen des Schlosses zu Saragossa vor, welches jetzt Aljaferia genannt wird; und jene Dame, die auf dem Altan in mohrischer Kleidung erscheint, ist die unvergleichliche Melisendra, die oftmals von dort aus auf den Weg nach Frankreich schaut und mit der Vorstellung von Paris und ihrem Gemahl sich in ihrer Gefangenschaft tröstet. Seht auch nun eine neue Begebenheit, die sich zuträgt und die vielleicht noch niemals gesehen ist. Seht Ihr wohl den Mohren dort, der sachtchen und mit kleinen Schritten hinter dem Rücken der Melisendra herbeischleicht, den Finger auf den Mund gelegt? Seht doch, wie er sie mitten auf die Lippen küßt und wie sie sich sputet, auszuspucken und mit dem weißen Ärmel ihres Hemdes den Kuß wegzuwischen, und wie sie nun klagt und sich die schönen Haare ausreißt, als wenn diese die Schuld der Bosheit hätten. Seht doch auch den ernsthaften Mohren dort, der auf jener Galerie steht; es ist der König Marsilio von Sansueña. Er hat die Unverschämtheit des Mohren gesehen; und ob er gleich sein Verwandter und guter Freund ist, so gibt er doch stracks den Befehl, ihn zu nehmen und ihm zweihundert Streiche zu geben, wobei er durch die Hauptstraßen der Stadt geführt wird mit Ausrufern vor sich und den Häschern hinter sich. Seht nur, wie sie das Urteil sogleich in Ausübung bringen, obgleich das Verbrechen kaum eben noch ausgeübt ist ; denn bei den Mohren findet keine Untersuchung statt, kein Abhören der Parteien und Aufschub wie bei uns.«
    »Kind, Kind«, fiel hierauf mit lauter Stimme Don Quixote ein, »geh mit deiner Geschichte geradeaus und laß dich nicht auf krumme Wege und Nebenstraßen ein; denn um einer Sache völlig versichert zu werden, sind viele Beweise und Gegenbeweise erforderlich.«
    Auch Meister Peter sagte von hinten hervor: »Junge, laß dich nicht auf Erörterungen ein, sondern tu, was der Herr dir befiehlt ; denn so ist es am besten. Folge du dem einfachen Gesange und gib dich nicht mit den künstlichen Passagen ab, die doch nur im Halse steckenbleiben.«
    »Ich will es tun«, antwortete der Junge und fuhr so fort : »Diese Figur, die hier zu Pferde erscheint, mit einem gaskonischen Mantel bedeckt, ist der nämliche Don Gaiferos, den seine Gemahlin erwartet, die schon über das freche Unterfangen des Mohren Rache bekommen und sich nun mit besserm und ruhigerm Anstande auf die Galerie des Turms begeben hat und mit ihrem Gemahl spricht, indem sie glaubt, er sei ein Reisender, mit welchem alle die Reden und Gespräche vorfielen, die in der Romanze stehen:

    Ritter, geht Ihr nach Frankreich? Fraget nach Gaiferos doch.

    Ich will diese jetzt nicht wiederholen; denn aus der Weitschweifigkeit pflegt die Langeweile zu entstehen. Genug, daß sich Don Gaiferos entdeckt und daß wir aus den fröhlichen Gebärden, welche die Melisendra macht, abnehmen können, daß sie ihn erkannt hat. Jetzt sehen wir nun, wie sie sich vom Altan herunterläßt, um sich hinten auf das Roß ihres trefflichen Gemahls zu begeben. Aber, o Unglückliche! Da faßt ein Eisen des Altans

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