Don Quixote
heißesten Mittagsstunden, auf dem brennenden Sande ausgestreckt, und ihre Klagen dem mitleidigen Himmel zuschicken. Und über diesen und jenen sowie über jene und diese triumphiert hohnlachend die schöne Marcella. Alle, die wir sie kennen, sind begierig, was aus ihrem Übermute werden soll und wer der Glückliche sein wird, der diese fürchterliche Kreatur bezähmen und ihre entzückende Schönheit genießen wird. Alles das, was ich Euch hier erzählt habe, ist die vollkommenste Wahrheit, so daß ich deshalb auch das glaube, was unser Hirte vom Tode des Chrysostomus uns sagte. Ich rate Euch auch dazu, gnädiger Herr, daß Ihr morgen ja der Beerdigung beiwohnt, denn es ist gewiß viel zu sehen, Chrysostomus hat viele Freunde, und der Ort, wo er will begraben sein, ist nur eine halbe Meile von hier.«
»Ich will es nicht versäumen«, antwortete Don Quixote, »auch danke ich Euch für das Vergnügen, welches Ihr mir durch Erzählung einer so angenehmen Geschichte gemacht habt.«
»Oho!« rief der Ziegenhirt, »ich weiß nicht die Hälfte von alledem, was den Liebhabern der Marcella begegnet ist ; vielleicht finden wir aber morgen auf dem Wege einen Schäfer, der uns alles sagen kann. Jetzt ist es aber wohl Zeit, daß Ihr Euch unter einem Dache schlafen legt, denn die freie Luft könnte Eurer Wunde schaden, obgleich bei den Kräutern, die ich aufgelegt habe, kein widriger Zufall mehr zu befürchten ist.«
Sancho Pansa, der den Hirten mit seiner langen Erzählung schon zum Satan gewünscht hatte, bat seinerseits auch, daß sein Herr sich in Pedros Hütte möchte schlafen legen. Er tat es auch und brachte den größten Teil der Nacht mit dem Andenken an seine Gebieterin Dulcinea zu, in Nachahmung jener Liebhaber der Marcella. Sancho Pansa machte es sich zwischen dem Rozinante und dem Esel bequem und schlief, nicht wie ein unbegünstigter Verliebter, sondern wie ein Mann, der häufige Fußtritte erlitten hatte.
5. [13.] KAPITEL
Hierin wird die Erzählung von der Schäferin Marcella
beschlossen, nebst andern Begebenheiten
Kaum aber schien der Tag durch die Fenster des Orients, als von den sechs Ziegenhirten fünf aufstanden, Don Quixote ermunterten und ihm sagten, daß er nun mit ihnen Gesellschaft machen könne, wenn er noch gesonnen sei, das prächtige Begräbnis des Chrysostomus mit anzusehen. Don Quixote, der es sehr wünschte, erhub sich und gebot Sancho, sogleich zu satteln und aufzuzäumen, der es auch mit vieler Eilfertigkeit tat, worauf sich alle auf den Weg machten. Sie waren noch keine Viertelmeile fortgezogen, als Schäfer in schwarzen Kleidern zu ihnen stießen, indem sie einen andern Pfad kreuzten, die auf den Köpfen Kränze von Zypressen und Lorbeerrosen trugen. Jeder von ihnen hatte in der Hand einen großen Stock von einer Stechpalme, und mit ihnen kamen zwei Edelleute zu Pferde, in anständigen Reisekleidern, nebst drei Burschen, die ihnen zu Fuße folgten. Indem sie zusammentrafen, grüßten sie sich höflich, und einer fragte den andern, wo sie hingingen, woraus sich erwies, daß alle nach dem Begräbnisorte wollten, worauf denn alle denselben Weg fortsetzten. Einer von denen zu Pferde, der mit seinem Begleiter sprach, sagte: »Es scheint mir, Herr Vivaldo, daß die Zeit unsers Aufhaltens gut angewendet sei, um dies merkwürdige Begräbnis zu sehen, welches wirklich nach dem, was uns diese Schäfer von den Seltsamkeiten erzählt haben, in Ansehung des Gestorbenen sowie der mörderischen Schäferin, merkwürdig sein muß.«
»Ich bin auch der Meinung«, antwortete Vivaldo, »und ich hätte nicht nur einen Tag, sondern wohl vier Tage gewartet, um es anzusehen.«
Don Quixote fragte sie, was sie von der Marcella und dem Chrysostomus gehört hätten, worauf der Reisende sagte, daß er früh am Morgen einigen Schäfern begegnet sei, die er nach der Ursach gefragt habe, aus welcher sie in Trauerkleidern gingen, einer von ihnen habe ihnen darauf von der wunderbaren und schönen Schäferin Marcella erzählt, von den vielen Liebhabern, die sich um sie bewerben, wie auch von dem Tode eines Chrysostomus, nach dessen Begräbnisse sie jetzt gingen. Kurz, er erzählte ihm alles, was Don Quixote schon vom Pedro gehört hatte.
Als dieses Gespräch geendigt war, fing ein anderes an, und der, welcher sich Vivaldo nannte, fragte Don Quixote, aus welcher Ursach er, auf diese Weise bewaffnet, durch ein so friedliches Land zöge.
Hierauf erwiderte Don Quixote: »Das Gewerbe, welches ich treibe, erlaubt mir
Weitere Kostenlose Bücher