Don Quixote
nicht entfliehen, Afrika, denn ich halte dich fest und in meinen Armen.‹ Darum, Sancho, daß ich diesen Bildern begegnet bin, ist für mich ein sehr glücklicher Zufall gewesen.«
»Das glaube ich auch«, antwortete Sancho, »ich möchte aber wohl das von Euch wissen, warum die Spanier, wenn sie in eine Schlacht gehen, diesen Sankt Diego Mohrentöter mit den Worten anrufen: ›Santiago und Spanien zu!‹ Ist denn Spanien etwa offen, daß man es zuschließen müßte, oder was hat das sonst zu bedeuten?«
»Du bist sehr einfältig, Sancho«, antwortete Don Quixote, »siehe, diesen großen Ritter vom roten Kreuze hat Gott Spanien zum Schutzpatron und Beistande verliehen, vorzüglich in dem harten Streit, den die Spanier mit den Mohren gehabt haben, darum rufen sie ihn in allen ihren Schlachten als ihren Beschützer an, und oft hat man ihn sichtbarlich wahrgenommen, wie er die feindlichen Heerscharen angreift, verfolgt, zerstört und vernichtet; und von dieser Wahrheit könnte ich dir viele Exempel anführen, die in den wahrhaftigen spanischen Historien erzählt werden.«
Sancho veränderte das Gespräch und sagte zu seinem Herrn: »Ich habe mich, gnädiger Herr, über die Leichtfertigkeit der Altisidora, der Kammerfrau der Herzogin, verwundern müssen; tüchtig muß sie doch getroffen und verwundet von dem sogenannten Amor sein, der ein blinzelnder Schlingel sein soll, denn wenn er auch Triefaugen hat oder eigentlich gar nicht sehen kann, so schießt er doch, wenn er sich ein Herz, selbst das kleinste, zum Ziele setzt, dieses mit seinen Pfeilen durch und durch. Ich habe aber auch gehört, daß an der Keuschheit und Ehrbarkeit der Mädchen die Liebespfeile abgestumpft werden; doch scheint es, daß sie an dieser Altisidora eher schärfer als stumpfer werden.«
»Merke, Sancho«, sagte Don Quixote, »daß die Liebe keine Rücksichten kennt, auch niemals in ihrer Laufbahn den Weg der Vernunft verfolgt, so daß sie dieselbe Beschaffenheit hat wie der Tod, der ebensogut die hohen Schlösser der Könige als die niedrigen Hütten der Schäfer besucht, und hat sie einmal eine Seele in Besitz genommen, so ist das erste, was sie tut, daß sie Furcht und Scham vertreibt, und deshalb erklärte Altisidora ihre Absichten so freimütig, die in meinem Herzen eher Verdruß als Mitleiden erregt haben.«
»Himmelschreiende Grausamkeit!« sagte Sancho, »und unerhörte Undankbarkeit! Ich muß sagen, daß ich mich gleich auf die allerkleinste Liebeserklärung ergeben hätte. Ei, Teufel noch einmal! Was ist das für ein Herz von Marmor! für ein Eingeweide von Erz und eine Seele von Stein! Ich kann mir aber nicht vorstellen, was das Mädchen an Euch gesehen haben sollte, das sie so verliebt hätte machen können. Was für Schönheit, frisches Ansehen, Lieblichkeit, Angesicht, was von diesen Dingen für sich allein oder alle zusammen hat sie doch wohl entzückt? Denn, meiner Seele, ich betrachte Euch oft von den Füßen bis auf das letzte Härchen Eures Kopfes, und ich sehe Dinge, die eher erschrecken als verliebt machen könnten, und doch habe ich sagen hören, daß die Schönheit das erste ist, was die Liebe erregt; da Ihr nun aber gar keine besitzt, so weiß ich nicht, worein sich die arme Kreatur verliebt hat.«
»Merke, Sancho«, antwortete Don Quixote, »daß es zwei Arten von Schönheit gibt, eine des Körpers und eine andere der Seele; die der Seele leuchtet im Verstande hervor, in der Tugend, im edlen Betragen, in der Freigebigkeit und in anständigen Sitten, und alle diese Eigenschaften können sich in einem häßlichen Manne befinden; wird nun das Auge auf diese Schönheit und nicht auf die des Körpers gerichtet, so entsteht die Liebe gewöhnlich um so schneller und heftiger. Ich sehe wohl, Sancho, daß ich nicht schön bin, aber ich weiß auch, daß ich nicht mißgestaltet bin; und bei einem edlen Manne ist es hinlänglich, geliebt zu werden, daß er kein Ungeheuer sei, wenn er nämlich die Vorzüge des Geistes besitzt, die ich genannt habe.«
Mit diesen Gesprächen und Unterhaltungen gerieten sie in einen Wald, der vom Wege entfernt lag, und plötzlich, ohne daran zu denken, fand sich Don Quixote in Netzen von grünen Fäden verwickelt, die von etlichen Bäumen nach den jenseitigen ausgespannt waren; und ohne zu begreifen, was dies sein sollte, sagte er zu Sancho: »Ich glaube, Sancho, daß diese Netze eins der seltsamsten Abenteuer sind, die man nur ersinnen kann. Ich will sterben, wenn die Zauberer, welche mich
Weitere Kostenlose Bücher