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Don Quixote

Don Quixote

Titel: Don Quixote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miguel de Cervantes Saavedra
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herein. Sie setzten aber dennoch ihren Weg fort, denn Sancho glaubte, in zwei oder drei Stunden gewiß auf eine Schenke zu treffen, da sie sich auf dem großen Wege befanden.
    Indem sie so fortzogen, die Nacht finster, der Stallmeister hungrig und der Herr nach Speise lüstern war, sahen sie, daß ihnen auf der nämlichen Straße eine Menge von Lichtern entgegenkam, die Sterne schienen, die sich bewegten. Sancho erschrak, indem er es bemerkte, und dem Don Quixote war es nicht ganz heimlich; jener zog den Strick seines Esels, dieser den Zaum seines Pferdes an, und so standen sie beide und schauten aufmerksam hin, was sich daraus ergeben würde; sie sahen, wie ihnen die Lichter entgegenzogen und wie sie immer größer wurden, je näher sie ihnen kamen. Bei dieser Wahrnehmung fing Sancho an wie Espenlaub zu zittern, und dem Don Quixote richteten sich auf dem Haupte die Haare in die Höhe; er ermannte sich aber ein wenig und sagte: »Ohne Zweifel, Sancho, ist dieses das allergrößte und furchtbarste Abenteuer, in welchem es vonnöten sein wird, alle meine Gewalt und Kraft aufzubieten.«
    »Ach, ich Unglückskind!« antwortete Sancho, »wenn das Abenteuer aus Gespenstern besteht, wie es sich fast dazu anläßt, wo einen Buckel hernehmen, um alles auszuhalten?«
    »Seien es immerhin Gespenster«, sagte Don Quixote, »so werde ich dennoch nicht zugeben, daß sie dir nur ein einziges Haar krümmen; trieben sie jüngst ihren Scherz mit dir, so durften sie's, weil ich nicht auf die Mauer des Hofes konnte, aber jetzt befinden wir uns in offenem Felde, wo ich, soviel ich nur mag, Hiebe mit meinem Schwerte ausholen kann.«
    »Wenn sie nun das Schwert bezaubern und kraftlos machen, wie sie schon sonst getan haben«, sagte Sancho, »was hilft's da, das Feld mag frei sein oder nicht?«
    »Sei es, wie es will«, versetzte Don Quixote, »so bitte ich dich, Sancho, einen guten Mut zu fassen, denn die Erfahrung wird dir den meinigen zeigen.«
    »Ich will ihn fassen, wenn es Gott so gefällt«, antwortete Sancho. Zugleich stellten sie sich auf die Seite des Weges, um von neuem aufmerksam hinzusehen, was das doch mit den wandernden Lichtern sein möchte, und so entdeckten sie nach und nach viele Gestalten in weißen Gewändern, bei deren fürchterlichem Anblicke Sancho Pansa vollends den letzten Mut verlor und so mit den Zähnen klapperte, als wenn ihn ein Fieber ergriffe, wobei sein Zittern und Zähneklappen sich in dem Maße vermehrte, in welchem sie die Gegenstände genauer erkennen konnten. Denn sie sahen nun wohl zwanzig, in weißen Hemden, alle beritten, mit brennenden Fackeln in den Händen, hinter denen eine Bahre folgte, mit Schwarz behängt, der sechs andere Gestalten beritten nachzogen, in schwarzen Flören bis auf die Füße ihrer Maultiere hinunter verhüllt – denn daß es keine Pferde waren, sah man an dem langsamen Gange –; die in den weißen Hemden murmelten etwas mit dumpfer und kläglicher Stimme.
    Diese wunderbare Erscheinung in der Stunde und an diesem einsamen Orte war gewiß vermögend, das Herz Sanchos mit Furcht zu erfüllen, auch selbst das seines Gebieters, und Don Quixote gab auch der Furcht ein wenig Raum, als Sancho schon von den letzten Funken seines Mutes verlassen war; der Gebieter aber ermunterte sich bald, der sich stracks lebhaft in seiner Phantasie vorbildete, wie dieses eins von den Abenteuern aus seinen Büchern sei. Er machte nämlich in seinen Gedanken die Trage zu einer Totenbahre, auf welcher sich ein schwer verwundeter oder toter Ritter befände, den zu rächen ihm allein vorbehalten sei; er legte also ohne weiteres Bedenken die Lanze ein, setzte sich im Sattel fest und lagerte sich dann mit edler Haltung und Gebärde in die Mitte des Weges, wo die weißen Gestalten durchaus vorbeimußten, die er mit lauter Stimme, als er sie nahe genug befand, also anredete: »Haltet an, Ritter, wer Ihr auch sein möget, Rechenschaft zu geben, wer Ihr seid, woher Ihr kommt, wohin Ihr geht, wer derjenige ist, den Ihr auf der Bahre mit Euch führt, denn nach dem äußern Anscheine habt Ihr Unrecht entweder verübt oder erlitten, und es geziemt sich und ist vonnöten, daß ich solches wisse, um Euch für das Unheil, welches Ihr gestiftet, zu züchtigen oder Euch für die Ungebühr zu rächen, die man an Euch verübt.«
    »Wir haben Eile«, antwortete einer von den Weißen, »und die Schenke ist noch weit, so daß wir uns nicht aufhalten können, die umständliche Rechenschaft zu geben, die Ihr verlangt.«

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