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0391 - Der flüsternde Tod

0391 - Der flüsternde Tod

Titel: 0391 - Der flüsternde Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Ein breites, blutrot geschminktes Maul, das überhaupt nicht auf die Vorderseite des Schädels paßte. Es erinnerte an die übertriebene Kunst der sechziger Jahre, aber diese Bilder damals hatten nicht das Grauen abgestrahlt wie der Schädel.
    Er wuchs…
    Größer und größer wurde er, aber in dem weißen Licht war die eigentliche Farbe des Knochenkopfs noch nicht zu erkennen.
    Wade, einer der beiden Listen-Brüder, hatte den Namen bereits beim ersten Anblick ausgesprochen.
    Jetzt wiederholte er ihn. »Der flüsternde Tod«, kam es raunend über seine Lippen. »Er hat uns erreicht…«
    Sein Bruder Ken reagierte nicht. Er mußte diesen Begriff verstanden haben, doch der Anblick dieses furchtbaren Knochenschädels zog ihn so in seinen Bann, daß er nichts anderes mehr wahrnahm und sich nur auf den schaurigen Anblick konzentrierte.
    »Er kommt höher!« ächzte Ken Listen. »Verdammt, der bringt uns um!«
    Wade schwieg. Noch hatte ihnen der flüsternde Tod nichts getan, und er fragte sich nur, wie es geschehen konnte, daß so ein monströses Machwerk überhaupt entstand.
    Verzweifelt grübelte er über eine Erklärung nach und kam letztendlich nur zu einem einzigen Entschluß.
    Es mußte etwas mit der Hexe Sarita zu tun gehabt haben!
    Diesem dunkelhaarigen Zigeunermädchen, das sein Bruder Ken und er im Ort aufgegabelt hatten, und von dem ihnen gesagt worden war, daß sie eine Hexe sei.
    Eine Hexe, die brennen mußte! Sie allein sollte die drei Menschen auf dem Gewissen haben, die in den letzten Tagen in Devon zu Staub zerfallen waren.
    Sarita, die Zigeunerin, stand mit dem Leibhaftigen im Bunde. Das hatte man ihnen gesagt, sie hatten es geglaubt, das Mädchen zu einem verfluchten Ort zwischen den Trümmern einer eingestürzten Kirche geschleppt, es dort an eine Mauer gekettet und eine Art Scheiterhaufen errichtet, dessen Flammen auch auf den Körper der angeblichen Hexe übergegriffen hatten. Nur war von Sarita nach dem Zusammensacken der Flammen nichts gefunden worden.
    Keine Knochenteile keine Hautreste – nichts. Sie schien die Flammen überhaupt nicht gespürt zu haben und war demnach spurlos verschwunden.
    Bis der Schädel kam…
    Eingetaucht in weißes Licht stand er über der Mauer. Es sah noch so aus, als würde er mit seinem knochigen Kinn die obere Kante berühren. Wenig später aber bekam das Bild einen völlig anderen Ausdruck, denn das helle Licht fiel zusammen.
    Nicht schlagartig, intervallweise zog es sich zurück, als würde es von den Schatten der Dämmerung aufgesaugt, um sich dort, für keinen mehr sicht- oder erkennbar, zu verteilen.
    Die wahre Farbe des Schädels kristallisierte sich hervor.
    Das war ein tiefes Graublau. So kompakt, so dicht, daß sich die Umrisse trotz der Düsternis genau abhoben und der blutrot geschminkte, breite Mund wie ein tödlicher Gruß aus einer fernen, fremden Dimension wirkte. Dieser Mund war das Besondere an dem Schädel.
    Es faszinierte und stieß gleichzeitig ab. Wade Liston hatte das Gefühl, einer Lockung zu erliegen, und er glaubte auch daran, daß die Lippen nicht mehr ruhig standen, sondern in zitternde Bewegungen geraten waren, als hätte jemand mit der Faust in eine Masse dunkelrotes Rindfleisch geschlagen.
    Aber niemand hatte ihn berührt. Keine Hand war da, die aus dem Dunkeln gekommen wäre, der blauschwarze Schädel stand völligbewegungslos auf dem Rand der Mauer.
    So häßlich und überzeichnet sich der Mund auch den beiden Brüdern präsentierte, die Lockung, die von ihm ausging, war vorhanden und traf auch die beiden Brüder.
    Ken, der nervlich Schwächere, spürte es noch deutlicher. Er streckte beide Arme gleichzeitig aus und krümmte die Finger.
    »Ich komme«, sagte er. »Ich komme zu dir. Du brauchst mich nicht länger zu rufen…« Er ging.
    Einen Schritt, den zweiten, bis Wade handelte, ihn zu packen bekam und zurückriß. So hart, daß Ken zu Boden geschleudert wurde und sich dort noch fast überschlagen hätte.
    »Du bist wohl wahnsinnig!« fuhr Wade seinen Bruder an. »Das kannst du nicht machen.«
    »Aber der Mund…«
    »Nichts ist mit diesem verdammten Mund.«
    »Doch, du hast es gesagt. Da ist etwas mit. Er lockt, ich habe ihn gehört…«
    »Was denn?«
    »Er flüstert«, erklärte Ken, als er aufstand. »Er hat mir etwas zugeflüstert, Bruder. Verstehst du?« Ken legte beide Handflächen gegen Wades Wangen. »Er hat zu mir gesprochen…«
    »Ich hörte nichts…«
    »Aber ich.«
    Wade Liston beobachtete seinen Bruder sehr genau.

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