DoppelherzTOD
Glück zu verstehn.
Bärbel Wachholz schluchzte ihren Schmachtfetzen durch die Boxen. Anno 1960 war der in aller Munde und Ohren gewesen. Ehrlicher war versucht, wie damals der Tanzkapelle zu applaudieren. Das Lied war zu Ende. Brigitta kannte es auswendig und sang noch immer. Ehrlicher hätte ihre Einladung vielleicht doch ablehnen und bei Frederike im Waschsalon seine Fragen stellen sollen. Er hatte Barbesuche nie gemocht. Seine Frau hatte ihn nur in den ganz frühen Jahren ihrer Ehe dazu überredet. Danach hatte er sich strikt weiteren Tänzen verweigert. Jetzt drehte er sich mit Brigitta immer wieder auf einer schwach beleuchteten Tanzfläche und fand das sogar beinahe angenehm.
Der Schallplattenalleinunterhalter tönte ins Mikrofon: »Und nun der Hit von Britt Kersten – Einmal ist keinmal.« Ehrlicher wurde wieder galant in die Tanzschritte gezwungen. Er trat Brigitta trotzdem mehrmals auf die Zehen. Aber sie schien das nicht zu bemerken. Sie hatte gesagt: Die Hits der 60er haben sie im Ringcafé auf dem Programm. Da sehen wir das legendäre Etablissement wieder. Was habe ich dafür Abende verbracht. Du nicht?
Bruno hatte genickt, ohne Ahnung, worauf er sich einließ. Er selbst war im Dresdner Schillergarten früher ein und ausgegangen, ohne zu ahnen, dass das Restaurant gegenüber einmal der Familie gehören würde.
Einmal ist keinmal, no no, no no,
drum küss mich noch einmal, oho, oho.
Seit du meinen Mund geküsst,
weiß ich erst, was Liebe ist.
Jetzt saß er inmitten alter Leute, die sich zu den Rhythmen von Helga Brauer, Rica Deus und Fred Frohberg bewegten. So hatte das diese Gesellschaft bereits vor vierzig Jahren getan. Das Etablissement hatte man wiederbelebt. In sozialistischen Zeiten war das Ringcafé die erste Adresse für alle Alleinstehenden gewesen. Männer lernten vor Ort Frauen kennen. Frauen ließen sich vor Ort verführen. Die Barkeeper mixten Alkohol, den der Einzelhandel nicht in den Regalen hatte. Die Karten für die Veranstaltungen waren damals schwer erhältlich gewesen. Heute war der Besucherandrang mäßig. Brigitta genoss den Abend trotzdem. Mehrmals hatte Ehrlicher sie für andere Tanzpartner freigegeben. War stolz, dass die Herren ihn fragten, als wäre er der Gatte dieser eleganten Frau.
»Was möchtest du trinken?« Die Frage stellte Ehrlicher, um von der Tanzfläche zu kommen. Brigitta Johannsen zeigte eine Ausdauer, der seine Kondition nicht gewachsen war. Er brauchte ein Bier, auch wenn Brigitta über diese Getränkewahl die Nase rümpfte. Im Ringcafé, Bruno, ich bitte dich! Natürlich trank man hier nicht wie in einer Vorstadtkneipe. Ehrlicher bestellte trotzdem ein Krostitzer.
»Ich nehme noch einen Campari Orange. Aber vielleicht sollte ich lieber ein Wasser trinken? Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Lieber Bruno, ich danke dir für diesen reizenden Abend. Ich dachte schon, so etwas würde ich nie wieder erleben.«
Es waren eindeutige Avancen. Ehrlicher fühlte sich geschmeichelt und kam zum Thema. »Die Untersuchungen der Polizei gehen von einem Selbstmord der beiden aus.«
»Das habe ich dir doch schon immer gesagt, Bruno. Die beiden wollten nicht mehr.«
»Nein. Nicht nur ich habe da meine Zweifel. Mein Kollege von der Kriminaltechnik hat andere Indizien gefunden. Die Wendel und der Porstmann wurden vergiftet.«
»Ach?« Der Mordverdacht erschütterte Brigitta Johannsen nicht, zumindest sah ihr Ehrlicher nichts an. Kein tiefes Einatmen, kein Augenflattern. Trotzdem war sie überrascht. »Aber warum ermittelt denn da die Polizei nicht weiter?«
Das war die Frage. »Die Staatsanwältin ist nicht bei der Sache, und bei den Ermittlungsorganen sitzen nur Dilettanten. Die haben von der Polizeiarbeit keine Ahnung. Das sind Ignoranten.« Das meinte Ehrlicher wirklich. Dass Staatsanwältin Mitterer der schwachen Begründung der Hauptkommissarin Agnes R. glaubte und alle anderen Hinweise ignorierte, konnte er nicht verstehen. Agnes R. zielte auf den schnellen Erfolg, da war er sich sicher. An Kain dachte Ehrlicher nicht. Ihren Streit hatte er allerdings nicht vergessen. Die Enttäuschung saß tief, und er bereute seine heftigen Worte nicht.
»Und was willst du dagegen tun? Du hast doch gar keine Möglichkeiten, eine Ermittlung durchzuführen. Du bist in Rente. Und ich erst recht nicht.«
»Aber wir kennen die Täter. Wir kennen ihr Motiv. Wir müssen nur noch die Beweise finden, die die Mörder überführen.«
»Du glaubst wirklich, die
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