Doppelt geküsst hält länger (German Edition)
1. KAPITEL
Texas, 1882
Zeke Titan hatte lange geglaubt, dass es nichts Schöneres geben könnte als Texas … vielleicht abgesehen von einer willigen Frau. Auf beides musste er nun schon seit gut sechs Monaten verzichten. Das war der Grund, warum er als Fahrgast auf einem Frachtwagen unterwegs war, anstatt auf die tägliche Kutsche zu warten, die zwischen Dallas und Titanville verkehrte.
Seine Geschäfte und der kalte Yankee-Winter hatten ihn viel zu lange von zu Hause ferngehalten. Und die schönen Ladys in New York und Boston hatten ihn auch nicht mehr so in Versuchung geführt wie früher. Er wusste nicht, ob ihm der Spaß an der Jagd abhandengekommen war oder ob er einfach nur Titanville vermisste.
Er war unter einem Glücksstern geboren worden, zumindest behaupteten das alle. Er konnte sich mit jedem anfreunden, dem er begegnete, hatte noch nie Geld bei einem Geschäft verloren und war beim Kartenspielen einfach nicht zu schlagen. Ein gutes Leben, sagte er sich. Aber wieso fühlte er sich trotzdem so rastlos?
Der Frachtwagen bog um eine Kurve. Vor sich sah Zeke die vertraute Silhouette der Stadt. Wie immer hatte sich eine Gruppe Menschen versammelt, um auf die Wagen zu warten, die alle zwei Wochen in Titanville eintrafen. Sie brachten Nachschub für den Lebensmittelladen, ein bis zwei Nähmaschinen, Baumaterial, Stoffe und all die Dinge, die man sonst brauchte, um einen Haushalt zu führen. Was genau das war, wusste Zeke nicht. Er lebte im Titanville Hotel, seit ihn mit sechzehn ein Pikass von einem armen Waisenjungen zu einem reichen Mann gemacht hatte.
Als Erstes fuhren sie an den Ställen vorbei. Billy Wade wollte ihm etwas sagen, aber Zeke konnte ihn nicht verstehen. Dann rief Big John, der Hufschmied, ihm etwas zu. Zeke hielt eine Hand wie einen Trichter an sein Ohr. Aber es half nichts. Big John lief dem Wagen hinterher.
Als Zeke sich umdrehte, sah er weitere Männer auf sich zulaufen. Die meisten kannte er, einige nicht. Die Menge, die dem Wagen folgte, wuchs stetig an. Als der Fahrer die Pferde zum Stehen brachte, sprang Zeke vom Kutschbock. Er hielt seine Winchester locker in der Hand, nur für den Fall, dass es Ärger gab.
Sein Freund Billy erreichte ihn als Erster. Er rang nach Luft und hielt sich die Seite.
„Du bist zurück. Wir haben auf dich gewartet, Zeke. Gewartet und die Tage gezählt. Du musst uns helfen. Wir wissen nicht, was wir tun sollen.“
„Weswegen?“ Zeke trat einen Schritt beiseite, um Platz für die Leute zu machen, die ungeduldig ihre Waren aus dem Frachtwagen holten.
„Es gibt Ärger. Großen Ärger.“ Die anderen Männer gesellten sich zu Billy und bildeten einen Kreis um Zeke. Sie nickten.
„Es ist schrecklich“, sagte einer der Männer.
„Du wirst nicht glauben, wozu sie uns zwingen!“
Zeke malte sich mögliche Schreckensszenarien aus: von Indianern bis zu Viehdieben.
„Zwei Tage, nachdem du weggefahren bist, ist die neue Lehrerin angekommen“, sagte Billy. Seine Augen waren geweitet, und er blickte ängstlich drein.
Zeke entspannte sich. „Ihr sprecht von einer Frau?“
Die Männer blickten sich gegenseitig an.
„Nicht von irgendeiner Frau“, erklärte Billy. „Sie ist anders, Zeke. Mrs Harbaugh hat mehr als nur Bücher mit in die Stadt gebracht.“ Er schaute sich um, als hätte er Angst, dass sie belauscht würden. Dann senkte er die Stimme. „Sie hat sie verändert.“
Die anderen Männer nickten.
„Wen verändert?“
„Die Frauen. Molly hat mir nie widersprochen. Jetzt hat sie Flausen im Kopf und …“ Billy schluckte. „Sie will, dass ich ihr gehorche. Ich habe ihr erzählt, dass ich noch mehr Rinder kaufen will, und sie hat Nein gesagt. Sie sagt, wir müssen unser Geld sparen, um unsere Jungs aufs College zu schicken. In Maryland.“
Es erfolgte ein kollektives Aufkeuchen.
„Sie sind Tgfwbuh“, sagte Big John und schüttelte sich.
„Sie sind was?“
„Tgfwbuh“, wiederholte Billy. „Titanvilles Gesellschaft für Wissen, Bildung und Hingabe – Tgfwbuh. Wenn wir etwas tun, das ihnen nicht gefällt, machen sie ‘buh’, um uns daran zu erinnern, uns richtig zu benehmen.“
Die Männer sahen wie geprügelte Hunde aus. Zeke konnte nicht anders: Er lachte. Das Lachen kam aus seinem tiefsten Inneren und fühlte sich gut an.
„Ich bin sechs Monate weg, und ihr alle habt wegen einer Frau die Hosen voll?“ Zeke lachte weiter, bis er Seitenstechen bekam. „Das ist wirklich gut. Hast du dir das ausgedacht, Billy? Wirklich
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