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Doppelte Schuld

Titel: Doppelte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Verräter in der Partei: alle, die nicht schnell genug auf die neue Linie umschwenkten – oder Martin Axt in die Quere kamen, der diesmal auf der richtigen Seite war.
    Er hatte den Genossen gestellt, von dem sein Vater an die Gestapo verraten worden war. Der 15jährige hatte dem Mann das Messer in den Bauch gestoßen, sich neben ihn gesetzt und gewartet, bis es vorbei war.
    Das war Martins erstes Opfer, das seinen Mythos begründete. Das war sein erster Faschist.
    Und die Narben auf seinem Rücken? Er sagte es ihr zum Abschied. »Meine Mutter. Sie hat den Ledergürtel meines Vaters genommen.«
    Warum, hatte sie gefragt. Er hatte nicht gelächelt und sie nicht angeschaut.
    »Die Partei hat immer recht«, hatte er gesagt.
     
    »Jetzt gib mir schon den Schlüssel.« Axt warf die Zigarette auf den Boden und trat sie unnötig heftig in den weichen Sand. »Und komm mir bitte nicht mehr auf die Psychotour.«
    Sie sah ihn an. Er will noch einmal siegen, dachte sie. Noch einmal der Überlegene sein. Noch einmal triumphieren. Über mich.
    Sie versuchte, sich auf die Situation zu konzentrieren. Da war der See. Rechts von Axt der Bootssteg. Er sah noch ganz so aus wie damals, rohe, unbehauene Planken, ausgebleicht, wahrscheinlich morsch nach all den Jahren. Das Ufer schlammig nach dem Regen der letzten Tage, am Rande des Sees Binsen.
    »Wenn nicht …« Axt sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Wenn nicht, werde ich dafür sorgen, daß du auf deine alten Tage einsam und verachtet irgendwo endest, jedenfalls nicht hier und auch nicht dort, wo du deine Heimat vermutest.«
    Hesemanns Mühle. Karl. Sie mußte hörbar nach Luft geschnappt haben, Martin jedenfalls lächelte. »Dein alter Freund hat den Fehler gemacht, auf Bennys Suchanzeige zu antworten. Dadurch wußten wir, wo er wohnt. Er wird dich nicht mehr kennen wollen, wenn er die Wahrheit über dich erfährt.«
    Mary schüttelte den Kopf. Aber sie fürchtete, daß er recht haben könnte. Sie versetzte Axt nur Nadelstiche, aber er konnte sie treffen, wo es weh tat. Sie war eine Geisel, obwohl sie frei herumlief: eine Geisel ihrer Gefühle für all die, die ihr nahestanden. Für Gregor und Moritz, für Karl und auch für Katalina. Frei war nur, wer keine Bindungen hatte. Wer los und ledig war wie – die Katze.
    Sie sah ihn an. Der blanke Schädel – früher hatte er dunkle lockige Haare gehabt. Die blauen Augen – noch immer blau, vielleicht heller geworden. Die Lippen – ein bißchen zu voll, wie früher, und zu einer spöttischen Grimasse verzogen.
    Du hast noch immer Gefühle, Martin, dachte sie. Für mich. Für eine alte Frau. Und plötzlich hatte sie Mitleid mit sich und ihm, mit diesen zwei sturen, dickköpfigen Menschen am Ausgang ihres Lebens, die sich gegenüberstanden in Kampfespose und immer noch nicht begreifen wollten, daß man nicht beides haben kann: das Glück und den Sieg.
    »Ich kann dir den Schlüssel nicht geben, Martin«, sagte sie und versuchte, fest und bestimmt zu klingen.
    »So? Bist du da sicher?«
    »Ich habe ihn nicht bei mir.«
    »Dann hol ihn doch.« Axt beugte sich vor und starrte ihr in die Augen. »Dann hol ihn doch einfach.«
    »Nicht nötig«, sagte eine Stimme hinter Mary. Sie drehte sich um. Lux lief auf sie zu, die Ohren gespitzt, den Schweif gestreckt. Mary sah Axt den Kopf schütteln und die Arme heben, als ob er »Immer diese Weiber!« seufzte. Sie hockte sich hin und drückte ihr Gesicht in das weiche Fell des Tieres. Vielleicht hatte Axt ja recht, und der Schäferhund war die einzige Kreatur, die sie noch Freund nennen konnte. Als sie den Kopf wieder hob, sah sie, daß Lux ihr Geschirr trug. Und dann bemerkte sie die offenen Reißverschlüsse der beiden Taschen.
    Mary richtete sich langsam wieder auf.
    »Ich hab’ den Schlüssel«, sagte Katalina und hielt etwas Glänzendes hoch.
    »Geben Sie her!« Axts Stimme hatte allen Charme verloren und den alten Befehlston angenommen.
    »Nur wenn …« Katalina rieb sich nervös den Nacken. Mary sah sie von der Seite an. Die Frau war am Rande ihrer Kräfte, sie würde gegen Axt nichts ausrichten können.
    »Laß dir nichts vormachen, Martin«, sagte Mary ruhig. »Ich habe den Schlüssel nicht mit nach Blanckenburg gebracht. Warum sollte ich auch? Ich habe schließlich nicht mit dir und deinem unbestreitbaren Talent gerechnet, die Dinge auf den Punkt zu bringen.«
    Martin schüttelte den Kopf. »Bei deinem Freund Karl haben wir ihn jedenfalls nicht gefunden, Marie«, sagte er.
    Sie

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