Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
Vom Netzwerk:
wir sie auch dieses Mal überrumpelten, sobald es so weit war und ich die Botschaft von Colin erhalten hatte. Wusste sie vorher Bescheid, würde sie ins Nachdenken geraten und aus lauter Dankbarkeit womöglich sogar Mama davon erzählen. Deshalb schloss ich den Mund wieder und schluckte, um so zu tun, als sei ich traurig und kämpfe gegen die Tränen an. Gelogen war das nicht.
    »Nein, keine Eingebungen«, antwortete ich bitter. Ich träumte von Colin, immer wieder, aber es fühlte sich an wie diese typischen Erinnerungsträume, zusammengefügt aus tatsächlich Erlebtem, doch unbeeinflusst von ihm, und leider war dieses Erlebte nun mal von schrecklichen Szenarien durchsetzt gewesen.
    Unsere telepathische Verbindung war wie durchgeschnitten. Vielleicht hatte Colin sie durchtrennt, um mich zu schützen. Tessa hatte gar nicht mehr unser vollkommenes Glück gebraucht, um uns zu orten. Ihr hatte eine vertraute, intime Nähe ausgereicht. Ich redete mir ein, dass die Gefahr, von ihr gewittert zu werden, der Grund war, weshalb Colin seinen Geist meinem nachts nicht mehr näherte. Oder er war viel zu weit weg von mir.
    Wie immer, wenn ich darüber nachsann, bekam ich das Gefühl, die Situation nicht mehr ertragen zu können. Ich musste Swing of Things von a-ha hören und mir das Video dabei ansehen, dessen Link Gianna mir eines Nachts geschickt hatte, jetzt, sofort. Ich rief YouTube auf, damit der Clip schon einmal laden konnte, während Gianna noch hier war, schaltete die Boxen am PC aber auf stumm. Ich wollte es erst dann hören, sobald Gianna sich wieder in das Nähzimmer verzogen hatte.
    »Ellie … worauf warten wir eigentlich konkret? Worauf wartest du?«, fragte sie beiläufig, doch die Ungeduld in ihrer Stimme war wie ein Tritt in die Kniekehlen. Mach was, Ellie. Unternimm etwas.
    Ehe ich es verhindern konnte, sprangen die Worte über meine Zunge, kalt und höhnisch. »Darauf, dass Colin mir sagt, wie wir Tessa lynchen können.«
    Lynchen klang gut – vor allem klang es weniger gefährlich als Mord. Lynchen hörte sich in meinen Ohren herrlich fern und altmodisch an, als würde dabei kein Blut fließen. Gianna erschauerte sichtlich, bevor sie in ein gläsernes, unechtes Lachen ausbrach.
    »Haha, sehr witzig, Ellie. Und der kleine Scheißer, will der da auch mitmachen?«, hakte sie ironisch nach.
    »Klar. Tillmann brennt darauf«, entgegnete ich barsch. »Und Colin wird mir eine Botschaft überbringen und sagen, wie es geht. Vielleicht schon morgen.«
    Ich klang wie ein weltfremder, naiver Teenager. Gianna verkniff sich eine Antwort, stand von meinem Bett auf und streckte sich gähnend. Sie nahm mich nicht ernst. Dachte, ich hätte einen Witz gemacht. Glück gehabt! Ab jetzt sollte ich meine Zunge besser im Zaum halten.
    Für Gianna war Tillmann sowieso nur ein halbgarer Jugendlicher mit Hang zur Gesetzesübertretung, für mich aber inzwischen einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Nach unseren Abenteuern im vergangenen Sommer hatten wir beide gemerkt, dass wir uns eigentlich gar nicht kannten, und Tillmann war auf Abstand gegangen. Doch im vergangenen Frühjahr hatten wir beinahe jede Nacht nebeneinander geschlafen und das hatte ein Band zwischen uns gewoben, das fester kaum hätte sein können. Ja, es war tatsächlich so, als hätten sich in den dunklen Stunden unserer Bewusstlosigkeit unsere Träume einander genähert, sich überlagert und unsere Seelen fester aneinandergeknüpft, als wahrhaftige Erlebnisse es jemals tun konnten – und das, obwohl Tillmann nur noch stundenweise schlief und meistens erst gegen Morgen eindämmerte. Daran hatte sich nichts geändert.
    Nun hatte er zwei Nächte in Dr.   Sands Schlaflabor verbracht, denn die in meinen Augen wichtigste Kompetenz des Sandmanns rührte daher, dass er an die Existenz von Mahren glaubte. So hatten wir ihm vorher ausführlich geschildert, wie Tillmanns Kontakt mit Tessa ausgefallen war und worin seine Schlafstörungen bestanden. Gedankliche Ruhelosigkeit, die nur mit Haschisch ein wenig gedämpft werden konnte.
    Es gab immer noch vieles an Tillmann, was meine Nerven strapazieren konnte – vorneweg seine kühle Schnoddrigkeit und seine Weigerung, mit mir zu flirten, wenigstens ab und zu ein paar nette Dinge über mich zu sagen, mich fühlen zu lassen, dass ich eine Frau war und nicht sein bester Kumpel. Doch wann immer wir uns zusammen in einem Raum befanden, waren mein Kopf und mein Herz von einem einzigen Gedanken beseelt. Ich mag dich.
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher