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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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meinen Ellenbogen nach oben, vermochte aber nichts gegen ihn auszurichten. Stattdessen stieß ich mir mein Gesicht an der Bettkante. Er schien Tonnen zu wiegen, als er mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung mein wehrhaftes Strampeln unterband. Meine Waden erschlafften und ein grelles Ziehen schoss in meinen Unterbauch.
    »Du tust mir weh!«, klagte ich, dieses Mal ein wenig deutlicher.
    »Das ist meine Absicht, also wehr dich verdammt noch mal nicht, sonst tu ich es wieder«, zischte er. »Wenn du dich freust, sind wir tot und deine Familie dazu. Und wenn du dich nicht wehrst, fällt es dir leichter, mich zu hassen.«
    »Spar dir deine psychologischen Vorträge und komm zur Sache«, zischte ich zurück. Es gelang mir, meinen Kopf für einen Sekundenbruchteil aus seinem eisenharten Griff zu befreien und ihm in die Wange zu beißen.
    »Verflucht, lass das bleiben, du blöde Kuh, und hör mir endlich zu! Sei nicht albern!«
    »Arschloch.« Ich keuchte auf, weil er seinen Daumen auf meinen Kehlkopf drückte. Nicht brutal, aber fest genug, um mich am Sprechen zu hindern. Aufgebracht versuchte ich, mich unter seinem Körper hervorzuwinden.
    »Hör mir zu. Still jetzt und hör mir zu!« Seine Stimme dröhnte wie das Donnern über dem Meer und mir wurde schwindelig. Doch mein Verstand blieb rein und aufmerksam. Ich konnte spüren, wie sich jene Zonen meines Gehirns öffneten, in denen sich all das einbrannte, was ich niemals vergessen würde, selbst wenn ich es noch so sehr wollte. Meine Schädelwände schienen sich zu weiten, obwohl schwarze Flecken vor meinen Augen tanzten und Colins weiße, schimmernde Haut überströmten. Etwas Warmes sickerte pulsierend durch meine Haare. Colins Wimpern warfen Schatten auf sein Gesicht, als er sich zu meinem Ohr hinunterbeugte. Mit der anderen Hand verschloss er meine Nase, damit ich seinen Duft nicht einsaugen konnte. Wieder schleuderte ich meine Hüfte gegen seine, um ihn von mir zu wälzen, doch ich tat mir nur weh damit. Es wurde still um uns, still in unseren Herzen.
    »Dich kann nur töten, wer dich liebt«, bohrten sich Colins Worte in meinen Kopf. »Schmerz öffnet die Seele.«
    Schlagartig ließ er von mir ab. Mein Tritt verfehlte ihn um Meter. Er stand bereits am Fenster, drehte sich aber noch einmal zu mir um und neigte sein Haupt galant zu einem kurzen Diener. »Wir sehen uns zum Tee.«
    Ich stürzte ihm hinterher, um ihn aufzuhalten, doch ich konnte nur noch zuschauen, wie er rücklings und mit dem Kopf nach unten in verdrehter Haltung die Hauswand hinunterkletterte und sich wenige Meter über dem Boden fallen ließ. Es sah grotesk aus. Ein Speichelfaden zog sich von seinem Kinn bis zum Asphalt und seine Pupillen leuchteten grünlich auf, als er auf allen vieren davonhuschte, ein Panther, dessen Hunger blindwütig in seinen Eingeweiden wühlte.
    Ich wollte fluchen, aber aus meiner Kehle schlüpfte nur ein schmatzendes, gieriges Fletschen. Speichel überschwemmte meinen Rachen. Ich sah mir dabei zu, wie ich aufs Pferd sprang und mit ihm in den Wald hineinjagte, hinunter ins Tal, über halsbrecherisch schmale Pfade und quer liegende Baumstämme und Wurzeln. Ich wusste genau, wie ich Louis lenken und voranpeitschen musste, seine Scheu war mir gleichgültig, es zählte nur noch mein Hunger, denn mich trieb ein Wettlauf mit der Kälte in meiner Brust – eine Kälte wie ein schwarzes, klaffendes Loch, das meine ganze Welt verschlingen konnte. Meine Welt war klein. Sie bestand aus dem, was ich hasste. Mir selbst. Dem, was ich liebte. Elisabeth Sturm. Das war alles. Zwei Wesen in einem.
    Die Spinnweben zwischen den Bäumen wurden dichter und zäher, legten sich trotz des scharfen Galopps auf meine Augen und meinen Mund. Ich musste schreien, um sie zu zerstören. Louis stieg und wollte umkehren, doch er fügte sich meinem harschen Diktat und galoppierte weiter durch die Finsternis, während die Kälte meines Herzens sich mit den reißenden Schmerzen in meinem Bauch vereinte und mir beinahe die Besinnung raubte. Da war er wieder, der Hufabdruck unter meinem Nabel, ein letzter Abglanz meines Menschseins, mein ewiges Tattoo, das mir täglich bewies, was ich verloren hatte – nur durch meine Gier und meinen Hunger …
    »Hör auf!«, brüllte ich gegen die Spinnwebfetzen in meinem Mund an, die sich mit meinem Geifer zu einer zähen, klebrigen Masse verbanden und meine Luftröhre zu verschließen drohten. »Hör auf, lass mich raus, es ist genug! Genug!«
    »Ellie … Ellie, was

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