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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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Reihe stand und mit glasigem Blick auf die Bühne starrte. Für je zwei Sekunden war sie am Anfang und am Schluss des Songs im Bild und jedes Mal glaubte ich, das Mädchen in ihr zu erkennen, das ich hatte küssen wollen, als ich bei der Achtzigerjahre-Party im vergangenen Sommer während Being Boiled von Human League in Colins Erinnerungen gerutscht war.
    Das Video war Fluch und Segen zugleich und dennoch das Wertvollste, was ich an Colin-Andenken besaß. Immerhin konnte ich ihn ansehen, wenn auch in einer Zeit, in der ich nicht einmal ein Gedanke gewesen war – und er bereits zwanzig und offensichtlich verliebt. In ein schwarzhaariges Mädchen, das ganz bestimmt nicht auf Mahrjagd gegangen war und sich von ihm in den Bauch treten ließ, damit er ihren Bruder retten konnte.
    »Oh, but how can I sleep with your voice in my head, with an ocean between us and room in my bed …« Ich stöpselte die Kopfhörer in die PC-Buchse, drehte auf volle Lautstärke und startete den Clip, um mir einmal mehr zu wünschen, ich sei die schwarzhaarige Frau, die in der ersten Reihe stand und noch nicht ahnte, dass Tessa kommen würde, um ihr zu nehmen, was sie gerade erst zu lieben begann.
    Einen Dämon in Menschengestalt.

O DI ET AMO
    Ich musste nicht die Augen aufschlagen, um zu überprüfen, was ich fühlte. Binnen Sekunden hatte es mich aus dem Tiefschlaf gerissen, aus einem bleiernen Nichts ohne Zeit und Raum, das keinen Platz für Gedanken und Empfindungen gelassen hatte.
    Es war wie früher in Kindertagen, als ich genau wusste, dass sich eine Spinne in meinem Zimmer befand, selbst wenn Papa sie nirgendwo finden konnte – sie war da. Sie war da! Vielleicht nur in meinen Gedanken, ja, aber von dort aus besetzte sie jede Zelle und jeden Winkel, nahm mich für sich und ihre Ziele ein und nährte diesen Zustand der Besessenheit mit meiner eigenen Angst.
    Ich hatte mich als Kind klein gemacht, war von der Wand weg zum Fußende meines Bettes gekrochen, hatte die Decke über meinen Körper gezogen, die Knie angewinkelt, bis die Knorpel zu bersten schienen.
    Doch jetzt war keine Regung mehr möglich. Selbst mein Atem wurde flach. Ich wagte es nicht, meinen ausgedörrten Mund zu benetzen, indem ich ihn schloss und mit der Zunge über den Gaumen fuhr. Das Wesen über mir sollte mich nicht bemerken. Ein widersinniger Gedanke, denn die Lähmung war sein Werk. Es war egal, ob ich mich rühren wollte oder nicht. Es hatte mich schon von Weitem gewittert.
    Trotz der aufbrandenden Emotionen arbeitete mein Gehirn zuverlässig und kühl und erinnerte mich daran, dass ich diese Situation schon einmal erlebt hatte. Nein, nicht ausgelöst durch einen Spinnenalbtraum in Kindertagen, sondern ganz real. Und obwohl ich halb wahnsinnig gewesen war vor Panik und ungebremster Paranoia und schon tags zuvor wie eine Verrückte über das feuchte Pflaster der Speicherstadt gekrochen war, hatte meine Furcht ihre Ursache gehabt, eine konkrete, sichtbare Ursache, größer und mächtiger, als die giftigste Spinne es jemals sein konnte. Sie hing über mir, an der Zimmerdecke, bereit zum Angriff. Ich hatte mir den Angriff herbeigewünscht, damit das Bangen endlich seinen Sinn bekam – und dennoch mit Flucht reagiert, als ich mich wieder bewegen konnte.
    Jetzt aber standen Angst und Verstand sich als klare Gegner gegenüber. Es war ein gerechter Kampf. Ich konnte sie ohne Zögern gegeneinander antreten lassen. In einem waren sie sich ohnehin einig: Etwas war da. Keine Einbildung. Keine Halluzination. Kein Wachtraum. Es hatte sich durch mein Fenster geschlichen. Es wollte mich erschrecken. Mir die Luft nehmen.
    Sie wurde bereits knapp. Das Atmen fiel mir immer schwerer, der verbrauchte Sauerstoff drang gepresst und gequält aus meinen Lungen, als würden mich zwei starke Hände würgen. Doch mein Verstand hatte die stärkeren Waffen. Er schaltete meine Fluchtinstinkte aus, damit er sich mit meinem Zorn verbünden konnte.
    Wütend schrie ich auf, als das Wesen sich auf mich fallen ließ und seine kalte, samtige Wange meinen Mund streifte. Seine Klauen bohrten sich in meine Handgelenke und drückten sie fest ins Laken. Eisig glitt sein Atem über meinen nackten Hals, fast wie eine Berührung, wie ein Stück Stoff, das mich erdrosseln sollte.
    »Kein Wort«, grollte er. »Und keine Freude.«
    »Leck mich«, knurrte ich erstickt, doch er presste mich noch tiefer in die Matratze, um mich zum Schweigen zu bringen. Ich rammte meine Knie in seine Lenden und hebelte

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