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Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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    Carolina Guttat schloss die Augen.
    Die Sonne war noch blass und das Ruderboot nur ein dunkler Fleck in der Mitte des Sees. Sie saß mit nackten Füßen auf ihrer Lieblingsbank. Die abschüssige Wildblumenwiese reichte bis zum Rottachsee. Feiner Nebel lag über dem Wasser. Es war still. Zwei Schwäne zogen mit schwerem Flügelschlag dicht über der Wasserlinie durch das Bild. Sie nahmen Carolinas Blick mit nach Petersthal, auf die andere Seite des Wasserspeichers.
    Sie schaute auf den hellen Kirchturm. Er erinnerte sie an das Wohnzimmer ihrer Eltern. Dort hatte ein ähnliches Bild gehangen: eine Kirche mit Zwiebelturm und rote Hausdächer inmitten sanfter Wiesen und Wälder. In der Ferne ahnte Carolina Guttat die schroffe Flanke des Grünten.
    Eine Spielzeugidylle.
    Ihr Verstand hatte genug. Er ließ sich nicht länger von den inständig heraufbeschworenen Bildern täuschen. Er wollte sich lieber mit dem Anblick auf dem Bett beschäftigen, dem sie hatte entkommen wollen.
    Ihr Verstand zog einen tiefen Schnitt durch ihren Traum. Mit einem Seufzer kapitulierte Carolina Guttat und schlug die Augen wieder auf.
    »Ich verstehe das nicht.« Sie zwang sich, ausschließlich Kriminalhauptkommissar Michael »Ecki« Eckers anzusehen.
    »Mich darfst du nicht fragen.«
    Die Staatsanwältin wandte sich ab. »Scheiße.«
    Eckers beobachtete, wie die hochgewachsene Juristin schleppenden Schrittes den Raum verließ.
    Nun war der Kommissar mit ihr allein. Die eingeblendeten Werte und Kurven auf den Displays der Maschinen machten ihn ratlos. Die leisen Pieptöne klangen teilnahmslos.
    Kopf und Hals der Frau waren bandagiert. Ihr Körper war unter dem Laken kaum zu erkennen.
    Sie wird die Nacht nicht überleben, dachte er.
    »Was haben wir bis jetzt?«
    Frank Borsch zuckte mit den Schultern. »Nicht viel, Ecki.«
    »Auf die Frau ist geschossen worden.« Michael Eckers tippte mit dem Bleistift zweimal auf seine Aufzeichnungen. »Zweimal.«
    »Was sagt Leenders? Ist sie an den Schussverletzungen gestorben?«
    Eckers räusperte sich. »Leenders ist vorläufig der Meinung, dass sie an dem Gift der Raupen gestorben ist. Ihr Immunsystem hat den Schock nicht verkraftet, den der Wirkstoff ausgelöst hat. Die Menge war einfach zu groß. Dazu die schweren Schussverletzungen. Vermutlich hätte sie die ohnehin nicht überlebt.«
    »Sie war also schon klinisch tot, als ...?« Carolina Guttat wollte die Frage nicht aussprechen.
    »Leenders kann das noch nicht verbindlich sagen.«
    Kriminalhauptkommmissar Frank Borsch, Leiter des KK 11, sah die Staatsanwältin an, die sich unbewusst durch ihr blondes Haar fuhr. Er ahnte, was in der zweifachen Mutter vorging.
    »Der Feuerwehrmann, der sie gefunden hat, ist immer noch nicht wieder dienstfähig.« Michael Eckers blätterte in seinem ledernen Notizbuch. »Ich werde ihn noch mal anrufen.«
    Carolina Guttat konnte sich nur mühsam gegen den Impuls wehren, die Augen zu schließen und sich wieder auf ihre Bank im Allgäu zu wünschen.
    Sie hatte schon vor ihrer Elternzeit Dinge sehen müssen, die eigentlich kein Mensch sehen wollte. Trotzdem hatte sie bisher geglaubt, nach ihrem Examen die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
    Ihre Vorfreude und ihr Elan waren groß gewesen, als sie vor einem Jahr in ihren Beruf zurückgekehrt war. Das gute Gefühl war sofort wieder da gewesen. Nur Akten zu bearbeiten wäre ihr zu wenig gewesen.
    Aber Carolina Guttat spürte jetzt schon, dass dieser Fall sie an den Rand ihrer Selbstbeherrschung bringen würde.
    Die Staatsanwältin griff nach ihrer Kaffeetasse.
    »Wer ist diese Frau?«
    »Kollege Bremes wühlt sich gerade durch die Vermisstensachen.«
    »Wir müssen schneller sein.«
    »Klar.« Sie arbeiteten ohnehin unter Hochdruck, dachte Frank Borsch.
    »Gibt es verwertbare Spuren auf ihrer Kleidung?«
    Michael Eckers schüttelte den Kopf. »Nee. Das meiste ist verbrannt. Sie könnte eine Art Jogginghose getragen haben. Und ein T - S hirt. Rot. Die Hose könnte dunkelblau oder dunkelgrau gewesen sein. Linder ist da dran. Und Bittner prüft, ob es Fingerabdrücke gibt, die verwertbar sind.«
    »Rot und dunkelblau? Hm.« Carolina Guttat blickte suchend über ihren Schreibtisch. Keine Zigaretten mehr. Sie zuckte mit den Schultern.
    »Ist an der Farbkombination irgendwas falsch?« Frank hatte den suchenden Blick der Staatsanwältin bemerkt. »Jeder bringt sich eben um, so gut er kann.«
    »Wie bitte?« Carolina Guttat verstand ihn erst nach kurzem

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