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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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besten bekam man Luft, wenn man lebte, holte ich mich in die Realität zurück. War ich in Gefahr? Musste ich fliehen? Ich strengte mich an herauszuhören, mit wem Angelo worüber sprach, aber eine Tötungsverabredung zwischen Mahren war es wohl nicht. Es klang geschäftlich, nicht brutal und hasserfüllt. Am meisten verwunderte mich jedoch, dass er überhaupt mit einem Handy telefonieren konnte, ohne dass die Verbindung abbrach. Dann war er vermutlich sehr satt; beste Voraussetzungen für mich und meine Recherche. Wobei satte Mahre auch starke Mahre waren, kontrollierte Mahre, die gut verbergen konnten, was sie vorhatten …
    Ich positionierte mich neben den Flügel und legte meinen Arm auf das glatte, lackierte Holz, während Angelo durch seinen Garten wandelte und mit der rechten Hand charmant gestikulierte. Ich erlaubte mir einen Moment, die Szenerie auf mich wirken zu lassen und sie mit allen Sinnen zu kosten … Elisabeth Sturm auf dem Anwesen eines Königskindes, willkommen und nicht fortgeschickt, willkommen und wahrgenommen.
    Verstohlen sah ich mich um. Angelo stand nun an der Außendusche und fummelte am Duschkopf herum, schraubte ihn beim Telefonieren nach rechts und testweise nach links. Ein paar Tropfen rieselten auf seine nackten Unterarme und glitzerten in der Sonne. Er war beschäftigt; Italiener telefonierten gerne exzessiv, das konnte ein paar Minuten dauern. Ich ließ meine Augen über den Flügel gleiten. Ach, wie niedlich, ein angebissener Riegel Kinderschokolade, der auf dem kleinen Absatz neben den tiefen Tasten lag und schon zu schmelzen begann. Ich widerstand der Versuchung, ihn mir zu schnappen und in den Mund zu stopfen. Ich liebte halb geschmolzene Kinderschokolade, so weich, das man die Reste anschließend vom Silberpapier schlecken musste. Eine Sauerei, aber für mich eine kulinarische Versuchung.
    Neben der Kinderschokolade zwei Bleistifte, an den Köpfen angekaut, und auf dem Flügel selbst … Notenblätter, ein paar CDs, ein Notizbuch … Ein Notizbuch.
    Einstecken und mitnehmen? Nein, das war zu link, ich wollte ihn nicht beklauen; er würde es merken und sofort wissen, wer es genommen hatte. Aber war es möglich, einen Blick hineinzuwerfen? Nur kurz? Angelo war in die Hocke gegangen, irgendetwas an seinem Gespräch schien spaßig zu sein, sein Lachen wurde lauter, dann folgten eine scherzhafte Bemerkung und erneutes Lachen, wunderbar, er war abgelenkt, und ich, ich würde schnell … aha. Notenlinien, musische Notizen, sonst nichts? Nur Ideen für Songs? Hastig blätterte ich das Büchlein (festes Büttenpapier) durch. Noten, wieder Noten, eine kleine Skizze – Kritzeleien, nichts, was eine außergewöhnliche Begabung vermuten ließ, alles ganz normal –, eine Telefonnummer nebst Namen, da, das hier war Deutsch! Ein Gedicht? Doch ich hatte nicht genug Zeit, es zu lesen. Das Blatt war fast lose, es konnte auch durch Zufall verloren gegangen sein. Blitzschnell riss ich es aus dem Büchlein, faltete es zusammen und schob es in meinen Ausschnitt. Weiter. Es waren nur noch wenige Seiten, die ich durchsehen musste. Angelo hatte sich mit ausgestreckten Beinen und dem Rücken zu mir auf den Boden gesetzt, eine Hand aufgestützt, nach wie vor in seine Plauderei vertieft. Möglicherweise registrierte er, was ich hier tat, aber ein Gedicht zu stehlen, war nichts Schändliches, und er war so weit weg von mir, dass seine Hellsichtigkeit – falls er sie denn besaß, nicht alle Mahre waren damit gesegnet – durchaus getrübt oder gar nicht vorhanden sein konnte. Geräuschlos schlug ich die letzten beschriebenen Seiten um. Noten, Noten, Noten … keine Noten. Ein paar Zeilen auf Italienisch. Gedanken? Eine Art Tagebucheintrag? Es fiel mir wesentlich leichter, Italienisch zu übersetzen, wenn ich es schriftlich vor mir hatte; meine Französisch- und Lateinkenntnisse kamen mir dabei zugute. Trotz der Hitze und des Zeitdrucks arbeitete mein Gehirn verlässlich.
    »Sie macht mich neugierig … Ich weiß, ich müsste das nicht, aber ich fühle mich in ihrer Gegenwart schüchtern. Schüchtern! Wie dumm!«
    Oh mein Gott. Ich schlug das Buch lautlos zu und legte es zurück an seinen Platz. Schüchtern? Angelo und schüchtern? Und wen meinte er mit »sie«? Etwa – mich? Gab es Grund, in meiner Gegenwart schüchtern zu sein? Oder hatte ich das Wort falsch übersetzt? Bedeutete es noch etwas anderes? Jedenfalls klangen die Zeilen nicht nach »Oh, lecker, ein Menschenmädchen, das schnapp

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