Dornenkuss - Roman
Garfield-Handtuch zum Trocknen lag, das sich behäbig im warmen Meereswind hob und senkte.
Das schmiedeeiserne Tor war unverschlossen, ich musste seine Flügel lediglich aufdrücken und rechnete damit, dass sie quietschen würden, doch sie gaben lautlos nach.
»Wow«, entfuhr es mir, als ich den Garten betreten hatte und mich umsah. »Nicht schlecht.« Nicht schlecht? Es war ein kleines Paradies. Ein Paradies nach meinem Geschmack, nicht unbedingt nach Allerweltsgeschmack, denn es herrschte zwangloses Chaos. Blumenkübel mit Palmen und Oleandern reihten sich ohne jegliche Ordnung aneinander oder bildeten kleine Grüppchen, welke Blätter lagen auf dem Boden und raschelten leise, wenn eine der sanften Böen durch den Garten strich, dazu das Knistern der Palmblätter und der Duft nach wildem Basilikum und Tomatensträuchern, die sich an den Mauern hochzogen, und – Chlor? Ja, Chlor.
Ich folgte dem Geruch, und nachdem ich zwei Bäume umrundet und eine Treppe erklommen hatte, erstreckte sich vor mir ein lang gezogener, gepflegter Pool; nichts Außergewöhnliches, kein Mosaik auf dem Grund und keine vergoldeten Wasserspeier, wie man es von den Schönen und Reichen kannte, aber immerhin ein Pool, der groß genug war, um Bahnen ziehen und tauchen zu können und das Meer zu sehen, während man darin schwamm. Eine Luftmatratze dümpelte ziellos vor sich hin. Ich wehrte mich gegen das plötzliche Bedürfnis, mich auf die warmen Steine am Beckenrand zu legen und eine Hand ins Wasser zu tauchen, die Sonne in meinem Nacken und gleichzeitig nasse Kühle auf meiner Haut, ich liebte das … Dazu das sich kräuselnde Blau, dessen Flimmern sich auf den Mauern und sogar auf den Blättern der Pflanzen spiegelte, Blau überall …
Ich ließ eine von Salz und der Sonne zerfressene Putte hinter mir – ein Flöte spielender Engel, der auf einem Löwen saß, etwas kitschig, aber passend für dieses Ambiente – und verfolgte die ausgetretenen Steinstufen, bis ich an eine verschwenderisch weitläufige Terrasse gelangte, in deren Mitte ein schwarzer Flügel stand – ein echter Flügel! –, umgeben von ausladenden Sitzmöbeln mit dicken Polstern und Kissen. Vor lauter Grübeln und Nachdenken hatte ich meine Siesta verpasst und nur kurz auf meinem Bett gelegen, doch nun hätte ich sie liebend gerne an Ort und Stelle nachgeholt: ein erfrischendes Bad im Pool und dann dösen, bis der Abend kam. Am besten auf der breiten, flachen Liege unter dem Sonnendach.
Wenn es denn nicht das Haus eines Mahrs gewesen wäre. In fremden Mahrhäusern döste man nicht. Wenn man das tat, konnte man sich gleich »Nimm mich« auf die Stirn pinseln.
Tja, es war wohl so, wie ich befürchtet hatte: Ich ging auf Nummer sicher, kam nachmittags statt abends und traf niemanden an. Es war zu hell für Mahre; wie ich von Colin wusste, ertrugen sie die Sonne, mochten sie aber nicht. Tagsüber verkrochen sie sich. Und weiter würde ich nicht gehen. Ich würde das Haus nicht betreten, das war mir zu leichtsinnig, obwohl die Türen der Terrasse offen standen und mir lange weiße Vorhänge einladend entgegenwehten.
Ich wollte gerade seufzend kehrtmachen, als ich aus dem Innern des Hauses eine Stimme hörte, nur ein Gesprächsfetzen, heiter und gelöst. Angelo unterhielt sich? War es seine Stimme gewesen? Oder wartete dort drinnen eine ganze Schar von Mahren, die sich schon händereibend darauf freute, meine Träume zu verspeisen und mich anschließend hinzurichten?
Ich beschloss, mich mit aller gebotenen Vorsicht zu entfernen, den Blick aufs Haus gerichtet, damit mir nichts entging, und dann, sobald ich aus dem Tor getreten war, zu rennen, so schnell ich konnte. Ich war schnell, wenn es sein musste. Und jetzt …. was war das? Wieder Angelos Stimme, lauter als vorhin, ja, sie kam näher, Himmel, was sollte ich nur tun? Eine Hand griff um den wehenden Vorhang und schob ihn zur Seite. Zu spät. Ich saß in der Falle.
»Ciao, bella«, unterbrach Angelo sein Telefongespräch für einen kurzen Augenblick und hob grüßend die Hand, bevor er das Handy wieder an sein Ohr legte und weiterredete, halb abgewandt von mir, seine Haltung Grischa pur: das Kreuz durchgedrückt, der Hintern knackig, der Kopf stolz und dennoch beneidenswert nonchalant. Wenn ich so dastand, verspannten sich all meine Muskeln … oder vielleicht doch nicht? Probehalber straffte ich meine Schultern und dehnte meine Halswirbel. Oh, das fühlte sich gut an. Ich bekam viel besser Luft. Und …
Am
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