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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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unserem Leben teilgehabt, so gut es ging, du hast Kampfsport betrieben, um meditieren zu können, damit du dir eigene Träume erschaffen konntest … Colin, wir sind nicht nur das, was wir können, wir sind auch das, was wir tun und entscheiden! Das macht uns aus! Ein Meer voller Gefühle nützt niemandem, wenn ihnen keine Taten folgen. Du bist jemand, der handelt, und du wirst geliebt … Ich liebe dich, Tillmann liebt dich, er hat mitgeholfen, dich zu töten, weil er dich liebt und bewundert, er hat die Filmaufnahmen erstellt und geschnitten, er bringt gerade Louis zurück, damit er sich von dir verabschieden kann, Louis wird es gut bei ihm haben … Morpheus achtet dich, Gianna mag dich. Und wir alle wissen, warum wir das tun. Wir irren uns nicht. Nur du irrst dich, wenn du glaubst, du seist niemand. Du bist jemand. Du hast das Messer geführt und es hat dich getötet, weil sogar du dich liebst, du hast dich geliebt, weil ich dir Schmerzen zugefügt habe … Du hattest Mitleid mit dir selbst …«
    Ich konnte nicht weitersprechen, weil meine Tränen mir den Atem raubten. Nie würde ich erfahren, ob er meine Worte gehört oder gefühlt hatte. Aber wenigstens war er da, sein Körper war da und nicht unter meinen Händen entschwunden, wie ich es befürchtet hatte. Ich konnte ihn noch berühren. Obwohl er anders aussah als vorher, verletzlicher und friedvoller, war ihm das geblieben, was ich nie hatte missen wollen. Seine spitzen Ohren mit den vielen Ringen, das eigensinnige schwarze Haar – es bewegte sich nicht mehr, aber es glänzte und schimmerte immer noch –, seine helle Haut, sein geschwungener Mund, seine edlen, stolzen Züge. Und auch die eintätowierte Nummer an seinem Handgelenk.
    Doch als die Abendsonne ein letztes Mal durch das Fenster brach und auf seine Wange fiel, veränderte sie nichts. Seine Haare blieben dunkel, seine Haut unversehrt. Das Licht liebkoste ihn, ohne ihn zu vertreiben.
    Allein ich sah es. Er selbst konnte es nicht mehr sehen.
    Nie wieder würde ich in seine schwarzen, glitzernden Augen blicken und mich dabei lieben. Aber er war jemand. Er war ein fühlendes Wesen. Er war es immer gewesen. Denn er hatte es versucht. Und in diesem Versuch lag mehr Inbrunst, als ein Mensch mit kalter Seele seinem Leben jemals schenken konnte.
    »Du bist Colin Jeremiah Blackburn. Du bist Colin Jeremiah Blackburn …«, flüsterte ich und schmiegte meine Hand in seine kühlen Finger, bevor ich mich dem ergab, was hatte kommen müssen und endlich seinen Lauf genommen hatte, um mich zu mir selbst zurückzubringen. Ich konnte ihn sehen.
    Ich konnte mich sehen.
    Endlich. Nicht unendlich.
    Jetzt schauen wir in einen Spiegel
    und sehen nur rätselhafte Umrisse,
    dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.
    Während die Sonne von uns wich und das Weiß des Baldachins über uns langsam in ein samtenes, nächtliches Grau überging, bestand ich nur noch aus Liebe, aus nichts anderem, nur aus Liebe, und hörte staunend und mit weit geöffneten Augen dabei zu, wie Colins Herz langsam und kraftvoll zu schlagen begann.

M ENSCHHEITSDÄMMERUNG
    Er war nicht tot.
    Er schlief nur.

E PILOG
    Colins Herz schlägt immer noch. Manchmal liege ich nachts neben ihm, während er schläft, und schmiege mein Ohr an seine Brust, um sicherzugehen, dass es nicht damit aufhört. Dabei wird es diese Sicherheit nie geben, nicht bei ihm und auch bei keinem anderen Menschen.
    Seine Ohren sind spitz geblieben, seine Haut weiß und noch immer ist er eine Erscheinung, die die Blicke anderer auf sich zieht. Ein normales Leben wird ihm nicht glücken, dazu war er zu lange auf der Flucht, zu lange vogelfrei und allen Gesetzen entbunden. Aber wenn die anderen Menschen Abstand zu ihm suchen, dann nicht mehr aus Hass, Abscheu und Angst, sondern aus Achtung und Respekt, weil sie sich nicht mit einem solch finsteren Kerl anlegen wollen, und sie schauen verblüfft auf, sobald er lacht, weil sie es nicht von ihm erwarten.
    Colin hat sein Studium mit Streberzensuren beendet und arbeitet für das Wolfsprojekt in Sachsen. Manchmal besuche ich ihn dort und verbringe die Nacht mit ihm auf dem Hochsitz, was ich weitaus weniger prickelnd finde als er, aber immerhin gab es nie zuvor so viele Wolfssichtungen wie seit dem Tag, an dem er dort eingestellt wurde.
    Er braucht immer noch wenig Schlaf und ist selten krank. Seine erste Erkältung betrachtete er als Sensation; es fehlte nur noch, dass er ihr zu Ehren eine Party gab. Er benötigte eine

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