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Winterherzen

Winterherzen

Titel: Winterherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Linda
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1. KAPITEL
    E s war das Ende einer langen Woche. Sarah wusste, dass sie nach Hause gehen sollte. Doch allein der Gedanke an die brütende Augusthitze veranlasste sie, in ihrem Büro mit der angenehmen Klimaanlage zu bleiben.
    Sie arbeitete nicht. Sie hatte den Stuhl herumgedreht und schaute seit einer Viertelstunde einfach aus dem Fenster. Es kümmerte sie nicht, dass es spät wurde. Die Sonne war so tief gesunken, dass sich die schwindelerregend hohen Wolkenkratzer aus Glas und Stahl gegen einen rot glühenden Himmel abhoben. Sie hatte wieder einmal die Sechs-Uhr-Nachrichten versäumt. Ihr Chef, Mr. Graham, war vor über einer Stunde gegangen. Es bestand kein Grund, sich nicht in die überfüllten Straßen zu begeben, doch sie hatte keine Lust, nach Hause zu gehen.
    Sie hatte ihre Eigentumswohnung mit viel Mühe so behaglich und heimelig wie nur möglich gestaltet, doch in letzter Zeit quälte sie die Leere ihres Zuhauses. Sie konnte die Zimmer mit Musik füllen, sich einen Videofilm ansehen oder sich in ein Buch vertiefen, aber sie war dennoch allein. Allmählich entwickelte sich das zu einem Zustand der Einsamkeit statt der Zurückgezogenheit.
    Vielleicht liegt es am Wetter, dachte sie müde. Der Sommer war heiß und feucht, doch sie wusste im Grunde, dass es nicht die Hitze war, die sie belastete. Es war das unausweichliche Gefühl, dass ihr die Zeit entglitt, dass der Sommer wieder einmal starb und dem Herbst das Feld räumte. Trotz der brütenden Hitze schien sie die Kälte des Winters bereits in den Knochen zu spüren. Es war mehr als der Wechsel von einer Jahreszeit zur anderen. Es war ihre Jugend, die ihr unausweichlich entglitt.
    Die Jahre waren vergangen, und sie hatte sich in ihrer Arbeit vergraben, weil es sonst nichts gab. All die Dinge, die sie sich wirklich wünschte, waren an ihr vorbeigegangen. Sie wollte keine Reichtümer oder materiellen Dinge. Sie wollte Liebe, einen Ehemann und Kinder, ein Zuhause voller Fröhlichkeit und Sicherheit – all die Dinge, die sie als Kind nie kennengelernt hatte. Sie träumtenicht einmal mehr davon, und das war das Allertraurigste. Aber sie hatte nie eine Chance gehabt. Sie hatte sich in den einen Mann verliebt, den sie nicht haben konnte, und sie schien eine der Frauen zu sein, die nur einmal im Leben lieben können.
    Gedämpft klingelte ihr Telefon. Mit erstaunter Miene griff sie zum Hörer. Wer mochte um diese Zeit noch anrufen? „Sarah Harper“, meldete sie sich sachlich.
    „Sarah, hier ist Rome“, grüßte eine tiefe Stimme.
    Ihr Herz machte einen Satz und pochte ihr dann bis zum Halse. Sie brauchte seinen Namen nicht zu hören, um ihn zu erkennen. Sie kannte seine Stimme wie ihre eigene. Sie schluckte schwer, richtete sich auf und redete sich ein, dass es nur ein gewöhnlicher Geschäftsanruf sei. „Ja, Mr. Matthews?“
    „Ach komm, nenn mich nicht so! Es ist ja okay im Büro, aber jetzt reden wir privat.“
    Sarah schluckte erneut, brachte aber kein Wort heraus. Hatten ihre Gedanken an ihn den Anruf verursacht? Schließlich war es Monate her, seit er mehr zu ihr gesagt hatte als einen höflichen Gruß, wenn er ins Büro kam, um mit Mr. Graham zu sprechen.
    „Sarah?“ Er klang jetzt wirklich ungehalten.
    „Ja, ich bin noch dran.“
    „Ich verkaufe das Haus“, verkündete er ohne Umschweife. „Ich packe die Sachen von Diane und den Jungen ein. Ich gebe sie der Heilsarmee. Aber ich habe eine Schachtel mit Erinnerungen aus Dianes Schulzeit gefunden, Fotos von euch beiden und ähnliche Dinge. Wenn du etwas davon möchtest, kannst du es haben. Wenn nicht …“
    Er vollendete den Satz nicht, aber sie wusste es. Wenn nicht, würde er alles verbrennen. Ihr schauderte bei der Vorstellung, die Sachen anzusehen und an die Jahre erinnert zu werden, die sie mit Diane aufgewachsen war, aber sie konnte ihn die Andenken auch nicht verbrennen lassen. „Ja“, brachte sie in rauem Ton hervor. „Ja, ich möchte sie gern haben.“
    „Ich fahre jetzt zum Haus und packe weiter. Du kannst dir die Schachtel jederzeit heute Abend holen.“
    „Ich komme. Danke“, flüsterte sie, und er legte auf, während sie den Hörer noch ans Ohr gepresst hielt.
    Sarahs Hand zitterte, als sie schließlich auflegte. Hastig nahm sie ihre Tasche aus der untersten Schublade, machte die Lichter aus und verschloss die Bürotür hinter sich.
    Nicht nur ihre Hand zitterte, sondern ihr ganzer Körper. Allein der Klang seiner Stimme übte stets diese Wirkung auf sie aus, obwohl sie sich seit

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