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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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begann, um meine lange überfällige Reaktion einzufordern. Meine Augen hingen trotzdem noch am Postfach meines Mailprogramms, wie so oft während meiner durchwachten Nächte. Ich konnte nicht recherchieren, ohne immer wieder ins Outlook zu gucken, und selbst jetzt zog es mich magisch an.
    Der Grund dafür war mir inzwischen fast schon peinlich. Vor einer Woche hatte ich Grischa in einem Business-Netzwerk gefunden und ihm eine Mail geschrieben. Beim Schreiben der Mail fühlte ich mich stark und schön, nach dem Abschicken nur noch dumm und unreif. Denn nun wartete ich auf eine Antwort, jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, und bislang vergebens. Ich ärgerte mich über mich selbst, weil ich mich in eine solch überflüssige Zwangslage gebracht hatte. Trotzdem verschaffte mir diese Zwangslage immer wieder einen kleinen Stromschlag im Bauch, wenn ich an das Checken meiner Mails dachte, und das wiederum vermittelte mir den Eindruck, dass sich etwas in meinem Leben bewegte. Der Frust, nur mit Spam oder Nachrichten von Gianna überhäuft zu werden und mich bei meinen Recherchen im Kreise zu drehen, war anschließend umso größer. Dass ich Giannas Mails eigentlich gerne las, konnte diesen Frust nicht mindern.
    Aber nun saß sie hier in meinem Zimmer und die Wahrscheinlichkeit war hoch, keine Mails von ihr zu bekommen. Wenn eine eintrudelte, konnte sie von Grischa stammen – oder von Colin? Würde ich per Mail von der zweiten Methode erfahren? Colin wusste mit moderner Technik umzugehen, doch das Rauschen in seinem Körper machte sie äußerst störanfällig. Es erschien mir auch zu profan, eine so wichtige Information auf dem PC zu verschicken.
    Noch einmal klickte ich auf das Senden-Empfangen-Feld von Outlook, obwohl ich das automatische Abrufen schon auf den Einminutentakt erhöht hatte. Übermittlung abgeschlossen. Keine neuen Nachrichten. Ich signalisierte Gianna mit einem Kopfnicken, dass sie reden durfte, aber sie fing erst damit an, als ich mich vom Bildschirm abwendete.
    »Mich nervt, dass wir alle drei offenbar auf unsere Männer warten. Drei Frauen sitzen in einem Haus und warten auf ihre Männer, weil sie ohne ihre Männer handlungsunfähig sind. Das ist nicht zeitgemäß und sehr unemanzipiert. Es ist mir zu edwardesk.« Ich lachte trocken auf. Gianna konnte es nicht lassen, das Mahruniversum mit allen gängigen Fantasy-Ausgeburten aus Literatur und Film zu vergleichen – vorneweg mit den modernen Vampirgestalten. Edwardesk war ihre neueste Wortschöpfung. »Lach nicht! Wir sollten unser Leben auch allein in die Hand nehmen können, Ellie. Ich mag nicht länger sinnlos herumlungern.«
    »Oh, Mama tut das bereits«, erwiderte ich spitz. »Siehst du doch, Yogakurse, ein Studium, ein Brunnen im Garten …« Den Brunnen nahm ich ihr besonders übel. Papa hatte ihn nie haben wollen, weil das perlende Wasser an Sommertagen das Licht zu sehr spiegelte und reflektierte – Gift für seine »Migräne«. Aber jetzt hatte Mama ihren Traum von einer plätschernden Fontäne neben dem Rosenhain verwirklicht – als würde Papa nie wiederkommen.
    »Ach, Ellie, das alleine macht doch kein glückliches, erfülltes Leben aus. Yoga, Studium, Gartengestaltung. Sei nicht ungerecht!«, rief Gianna belustigt. »Deine Mutter will eben nicht in Trauer und Apathie versinken, sondern etwas tun. Sie ist stark. Und ich bin froh und dankbar, dass sie mich aufgenommen hat.«
    Es war Mamas ausdrücklicher Wunsch gewesen, Gianna nicht zurück nach Hamburg fahren zu lassen. In dieser Verfassung konnte sie sich sowieso nicht ins Auto setzen, zumal ihr alter Fiat dringend durch den TÜV musste. Wir hatten Gianna außerdem angeboten, ihr finanziell unter die Arme zu greifen, doch sie wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen. Ihr werde schon etwas einfallen, womit sie dieses Problem lösen könne. Dabei war Gianna gar nicht mehr in der Lage, Einfälle zu haben. Ihre kreative Energie war verpufft und ich selbst war nie besonders kreativ gewesen.
    Doch sie nahm immerhin das Angebot an zu bleiben. Es gab nur einen, der damit nicht einverstanden war: Mister X. Schon am ersten Abend waren Gianna und ich uns in die Haare geraten, weil sie es für unverantwortlich befand, nachts die Katzenklappen offen zu lassen. Rufus sei ein Stubenkater und mit der Realität dort draußen überfordert. Doch Mister X einzusperren, machte ebenso wenig Sinn, wie es bei seinem Herrchen zu versuchen. Er randalierte unter lang gezogenen, kehligen Rufen, die selbst den

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