Dornenliebe
weiterzusuchen. Luna will
gerade die Sachen wieder einräumen, als ihr Blick auf den Umschlag fällt, er kommt ihr bekannt vor, natürlich, sie weiß es gleich. Auch auf diesem Umschlag prangt das Firmenlogo von Teresas Mobilfunkanbieter.
Nein, denkt sie; nein.
»Jaron«, ruft sie und bemerkt selbst die Panik in ihrer Stimme, er reagiert auch gleich und sitzt im Nu wieder neben Luna, sie hat die Zeitung auf ihren Schoß gelegt, die Papierschnipsel aus dem Kuvert darauf geschüttet und bereits begonnen, sie zu einem Bild zusammenzufügen. Sie muss nicht erst drauf schauen, um zu wissen, wer darauf zu sehen ist.
Drei Fotos liegen vor ihnen, als sie alles zusammengesetzt haben. Sie und Jaron beim Einkauf in der Wilmersdorfer Straße. Sie und Jaron, die schweren Pflanzen im Laderaum seines Kombis verstauend. Und dann sie und Jaron, eng umschlungen, versunken ineinander, sich küssend. Im Hintergrund der Fahrstuhl in Falks Treppenhaus.
Luna kann es nicht fassen. Es war doch dunkel im Hausflur gewesen an jenem Abend, nachdem sie zusammen für Falks Arbeitszimmer eingekauft hatten! Aber natürlich gibt es Nachtsichtkameras, sogar in manchen Handys.
»Katharina«, stößt Jaron hervor. »Weißt du noch, wir haben sie in der Einkaufsstraße gesehen. Von ihr muss Falk alles gewusst haben, bestimmt hat sie uns hinterherspioniert, wahrscheinlich sogar bis zu dem Augenblick, als Ole und ich die Autos getauscht haben. Wer weiß, wie lange sie uns schon beschattet und Falk alles zuträgt, um an ihn heranzukommen.«
»Ich kann ihr nicht einmal wünschen, dass ihr das gelingen möge.« Luna atmet scharf ein und hält unwillkürlich die Luft an. »Etwas anderes macht mir viel mehr
Sorgen: Genau so hat Falk auch einmal ein Bild von Thore zerrissen, als er mir nicht glauben wollte, dass der Junge auf dem Bild mein Bruder ist. Und das von Teresa, das ich in seinem Arbeitszimmer gefunden habe, hat er auch zerrissen.«
Jaron starrt sie perplex an. »Du meinst …«
Luna nickt. »Teresas Tod war kein Unfall, Jaron. Ich bin sicher, Falk hat sie umgebracht. Und wir beide sollen seine nächsten Opfer sein. Die zerrissenen Fotos bedeuten: Du musst sterben. Er hat Teresa getötet, wollte den Jungen töten, den er für meinen heimlichen Freund gehalten hat - und jetzt uns.«
Jaron legt seine Hände vor sein Gesicht, Luna merkt, dass er versucht zu verinnerlichen, was sie gesagt hat. Dass er geschockt ist. Sie müssen neu überlegen, wie sie jetzt weiter vorgehen. Falk gegenüberzutreten und ihm die Stirn zu bieten, genügt nicht mehr. Jaron spricht aus, was auch ihr klar geworden ist.
»Scheiße«, mit der Faust hämmert er aufs Lenkrad, »Scheiße, Scheiße, Scheiße. Wir sind in Lebensgefahr, Luna.« Er hält einen Moment inne, starrt auf den Autoschlüssel in seiner Hand, dann dreht er ihn im Zündschloss herum und steuert rückwärts von der Tanksäule weg, um auf dem kürzesten Weg zurück zur Straße zu gelangen. »Uns bleibt nur noch eine Möglichkeit zum Untertauchen.«
»Was hast du vor?«, will Luna wissen.
»Ich bringe uns an einen Ort, von dem außer mir wirklich niemand weiß, nicht einer meiner Freunde. Ich war seit vielen Jahren nicht mehr dort, aber den Weg finde ich schon noch, ich weiß den Ortsnamen und die nächste größere Stadt.«
»Wo auch immer das ist, Falk wird uns auch dort aufstöbern«, gibt Luna zu bedenken.
»Kann sein, er ist ja extrem raffiniert, aber weil er rausfahren musste, als er tanken musste, besteht zumindest eine kleine Möglichkeit, dass wir ihn dieses Mal wirklich abgehängt haben. Und Katarina ist weit weg, sie hat keinen Führerschein, mit dem sie uns in einem zweiten Wagen folgen könnte. So gewinnen wir zumindest etwas Vorsprung. Wir verschanzen uns in dem alten Ferienhaus meiner Großtante, direkt an der Ostsee, es liegt hinter dem Deich in einer kleinen Strandsiedlung namens Heidkate, umgeben von einem Kiefernwald, also schön versteckt, im Winter ist da außerdem selten jemand. In einer knappen Stunde sind wir da, es liegt viel näher, als wenn wir jetzt den langen Weg zurück nach Berlin fahren.«
»Wir könnten Kontakt zur Polizei aufnehmen«, regt Luna an. »Falks Beuteschema haben wir ja jetzt. Ich will nicht sterben, Jaron. Falk ist kriminell, er muss gestellt werden.«
Jaron antwortet nicht gleich. Er folgt einem Schild, das ihm den Weg zur Landstraße Richtung Kiel weist, die B 404 entlang, danach zieht sich der Weg über einige Dörfer und Kleinstädte zur Küste
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