Dornenliebe
kommen rasch näher. Von der Einfahrt zur Strandsiedlung aus dringen bald auch die Motorengeräusche zu ihnen.
»Das ging schnell«, bemerkt Jaron; Luna spürt, dass ein Beben durch seinen Körper zieht. »Vermutlich haben die Bewohner des Nachbarsortes die Flammen oder den aufsteigenden Rauch gesehen. Dann geht es jetzt los, Luna. Befragungen, Untersuchungen, Aussagen.« Er stößt Luft aus und krallt seine Hand um ihre.
Luna strafft ihren Körper, hebt ihren Kopf von Jarons Brust und blickt den Feuerwehrmännern entgegen, die bereits beginnen, den Schlauch auszurollen und einen Hydranten ausfindig zu machen. Aus einem Streifenwagen steigen zwei uniformierte Polizisten und gehen auf sie zu.
»Wir haben schon so vieles zusammen durchgestanden«, erwidert sie. »Das schaffen wir auch noch. Auch wenn es jetzt noch mal richtig hart wird.«
Die Tür fällt ins Schloss, Luna bleibt mitten im Zimmer stehen und blickt sich um. Wieder zu Hause. Ich bin wie ein Alien, denkt sie; wie ein Wesen von einem anderen Planeten, das aus einem Ufo abgeprungen ist und nun hier herumsteht, auf einmal wieder mitten in Berlin, in ihrer unsanierten Ein-Zimmer-Altbauwohnung in einer Charlottenburger Seitenstraße, die nicht sehr anheimelnd wirkt, wenn man es genau nimmt. Ihre Eltern haben gewollt, dass sie zurück nach Remscheid kommt, zurück in ihr altes Zimmer, manchmal trifft man auch Fehlentscheidungen im Leben, hat die Mutter gesagt, und dann ist es gut, wenn man die Möglichkeit hat, noch einmal von vorn zu beginnen. Aber Luna wollte wieder hierher in ihre kleine Wohnung, nicht allein wegen des Studiums. Nicht nur Thore hätte gewollt, dass sie weitermacht. Luna selbst will es auch.
Sie dreht den Heizkörper auf und entlüftet ihn, während Jaron in die Küche geht und Wasser in einen Kochtopf füllt, Luna hört, wie er die Einkäufe aus den Tüten nimmt und im Kühlschrank verstaut. Wenig später sitzen sie an Lunas kleinem Esstisch bei Pasta mit scharfer Tomatensoße. Keiner von ihnen ist in der Stimmung, viel zu reden. Es genügt, dass sie zusammen sind, endlich ohne Angst. Nach dem Essen fragt Jaron, wonach Luna zumute ist, jetzt, am frühen Abend. Luna wirft einen Blick aus dem Fenster; man merkt, denkt sie, dass die Tage ganz
allmählich wieder länger werden. Länger und heller. Auch wenn es jeden Tag nur wenige Minuten mehr sind.
»Nach draußen«, antwortet sie. »Irgendwo hin, uns einfach treiben lassen.«
»In einem Club Livemusik hören?«, hakt er nach. »Spazieren gehen? Jemanden besuchen, Sarah vielleicht? Oder Kino?«
Luna lächelt. »Hört sich alles gut an«, meint sie. »Wir finden schon was. Hauptsache, irgendwie raus ins Leben.«
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1. Auflage 2010
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