Dornenliebe
die Scheinwerfer kurz aufleuchten, dann öffnet er den Wagenschlag für sie.
»Das ist deiner?«, fragt sie, dabei weiß sie es längst, sie hätte sich denken können, dass jemand wie Falk nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist. Er verdient gut, ist in der Immobilienbranche, hat Sarah gesagt, die ist sicher lukrativ, denkt Luna, vor allem in einer großen Stadt wie Berlin. Wenn man ein festes Einkommen hat, kann man ein Auto auch auf Kredit kaufen.
»Steig ein«, antwortet er und gleitet schon hinters Lenkrad. Luna verdrängt ihre aufsteigende Angst, noch nie ist sie am ersten Abend nach dem Kennenlernen zu einem Mann ins Auto gestiegen, sie sieht die Augen ihrer Mutter vor sich, mach das nicht, Mädchen, es ist zu gefährlich.
Ihr Handydisplay leuchtet auf, sie hat das Gerät die ganze Zeit in der Hand gehalten. Sarah will wissen, wo Luna ist, noch kann sie dankend ablehnen, mit Falk zu fahren, kann sagen, sie sei mit Sarah verabredet, könne ihre Freundin jetzt nicht allein durch die Nacht ziehen lassen. Falk startet den Motor, lässt die Scheiben herunter, wartet. Wenn sie erst noch die SMS beantwortet, verärgert sie ihn. Der Motor läuft, das gleichmäßige Surren wird vom Straßenlärm verschluckt, irgendwo quietscht eine Straßenbahn um die Kurve. Im Auto ist es ganz still, Luna bemerkt den Geruch nach neuem Kunststoff, so hat das Auto ihres Vaters auch gerochen, viele Jahre ist das her. Endlich gesteht sie, dass sie Sarah eine Kurznachricht schicken muss, um sie nicht zu beunruhigen.
»Natürlich«, antwortet Falk ruhig. »Ist ja klar, sie wartet oben und weiß nicht, dass du schon mit mir fort bist. Schöne Grüße von mir, sie soll nicht böse sein.« Während Luna schreibt, steuert er den Wagen aus der Parklücke.
Vor Lunas Haustür hält er an, es ist kein Parkplatz frei, sie halten in Doppelreihe, Luna bemerkt ein Halteverbotsschild an der Ecke, wahrscheinlich gilt die Regel nur tagsüber. Als das Motorengeräusch erstirbt, ist alles still um sie beide. Falk greift nach Lunas Hand, jetzt wieder ganz behutsam, haucht einen Kuss auf die weiche Stelle zwischen Zeigefinger und Daumen.
»Ich hab den Abend sehr genossen«, beginnt er. Seine Finger fühlen sich warm an, erst jetzt sieht Luna, wie gepflegt sie sind, kurz geschnitten, aber nicht zu kurz, und sorgsam gefeilt. Sie mag schöne Hände.
»Geht mir genauso«, sagt sie und kommt sich jetzt wieder plump vor mit ihren Sachen, die sie immer noch vom Umzug anhat, auf der Party hat sie es vergessen; jetzt, in seinem staubfreien Auto mit den polierten Armaturen, fühlt sie sich schmuddelig, verschwitzt, nicht schön genug.
Falk jedoch scheint sie mit anderen Augen zu sehen, er hört nicht auf, ihre Hand zu streicheln, streicht ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Luna lehnt sich vorsichtig an seine Schulter, im Auto ist es warm, sie will noch nicht aussteigen, draußen hat der Wind wieder losgelegt. Luna denkt an ihre Wohnung, die noch gar nicht ihre ist, und hofft, dass Falk sie nicht bittet, mitkommen zu dürfen.
»Ich würde dich gern wiedersehen«, flüstert er. »So bald wie möglich. Ich hab … mich selten jemandem so nahe gefühlt wie dir heute Abend, weiß selbst nicht, warum. Als ob wir Seelenverwandte sind.« Bei den letzten Worten lächelt er beinahe scheu, Luna bemerkt ein leichtes Flackern in seinen Augen, ganz kurz blickt er zur Seite, als ob ihm etwas peinlich ist, als ob er plötzlich das Gefühl hat, sich zu weit vorgewagt zu haben. Jetzt ist sie es, die ihre Hand hebt und über seine Wange streicht.
»So hab ich mich auch gefühlt«, sagt sie. »Total verrückt … heute früh war ich noch in Remscheid bei meinen Eltern, und jetzt sitz ich hier mit dir - ich hab dir alles anvertraut, lauter Sachen, die ich noch nie jemandem erzählt habe. Das darf nicht gleich wieder vorbei sein.«
»Ist es auch nicht.« Falk beugt sich zu ihr vor, sie spürt seinen Atem, vielleicht ist es der Moment vor dem ersten Kuss. Seine Lippen sind leicht geöffnet, die Augen dunkel. »Wann hast du Zeit, Luna? Morgen?«
Luna nickt. »Morgen, klar.« Sie denkt daran, dass sie weiter einräumen muss, Ordnung schaffen, ein wenig Gemütlichkeit herstellen in ihrer zugigen Altbauwohnung. Falk wohnt bestimmt ganz exklusiv, sie muss noch nicht mithalten können als Erstsemester aus der Provinz. Aber ein Faible für Gemütlichkeit, das muss erkennbar sein, wenn er sie besucht. Eine gewisse Liebe fürs Detail, das geht auch mit bescheidenen
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