Dornenliebe
Mitteln. Morgen schon, vielleicht.
Falk legt seine Lippen beinahe feierlich auf ihre, Luna hat lange nicht mehr geküsst. Es fühlt sich an, als würde es nichts anderes geben und auch, als hätten sie und Falk einander nach einer langen Reise endlich gefunden. Als wären sie beide endlich am Ziel. Der Kuss dauert lange, es wird kühler im Auto, aber er hält sie jetzt fest umschlungen und sie schiebt ihre Arme unter seine Jacke, es tut so gut. Er tut gut. Wärme und Nähe. Liebe. Vielleicht ist es tatsächlich Liebe, auch wenn Luna weiß, dass diese erst wachsen muss. Mit Falk fühlt sich alles so richtig an, es passt einfach. Zum ersten Mal schiebt sie Thores Gesicht fort, seinen ernsten Mund, der in ihrer Vorstellung auftaucht, um ihr zu sagen, pass auf, Luni, pass auf, was er mit dir macht, du kennst ihn noch nicht richtig. Thore ist nicht mehr da. Falk und sie, das ist jetzt das Leben.
Nur widerstrebend löst er seine Lippen von ihren. Noch immer spürt sie ihr Herzklopfen, spürt die verflogene Müdigkeit. Luna will nicht, dass dieser Augenblick schon vorbei ist. Vielleicht kommt Falk nie wieder, Sarah hat gesagt, keine Frau kommt an ihn ran.
»Ich wünschte, ich könnte jetzt bei dir bleiben, aber es ist besser, wir vertagen das. Morgen hab ich ganz früh einen wichtigen Termin, da muss ich ausgeschlafen sein.« Er küsst sie erneut, seine Lippen umschließen ihre ganz, bei jedem anderen Jungen hätte sie dies abstoßend gefunden, zu Besitz ergreifend. Aber Falk hält sie so sicher, seine Arme liegen um ihren Körper wie eine Burg, nicht einmal ihre Mutter hat sie jemals so gehalten, auch nicht, als sie klein war, Luna kann sich nicht erinnern. Sie ist angekommen, in Berlin, bei Falk. Endlich.
»Wie lange arbeitest du?«, fragt sie in seine Schulter, einen Kloß im Hals unterdrückend.
»Bis gegen achtzehn Uhr«, antwortet er. »Was hältst du davon, wenn ich dich hinterher abhole? Wir könnten
schön zusammen essen gehen und danach noch irgendwo einen Cocktail trinken.«
Luna zögert. Mit Falk essen gehen, das klingt nicht nach Dönerbude, nicht einmal nach Pizzeria oder Chinesen. Sie hat noch etwas über zwanzig Euro im Portemonnaie und weiß nicht, ob sie für die Wohnung noch etwas kaufen muss, sie muss erst einmal alles einräumen und sehen, was noch fehlt. Auf dem Sparbuch sind keine Reichtümer.
»Ich würde gerne«, versucht sie es also. »Aber ich weiß noch nicht, wie weit ich mit meinem Geld komme, hab ja noch nicht mal eingekauft. Essen gehen kann ich mir im Moment nicht so leisten, glaube ich. Aber übermorgen könnte ich uns was kochen. Da müsste ich so weit sein. Ich kann einen ziemlich guten Kartoffelauflauf, dazu Salat …«
Was rede ich da, denkt sie, Auflauf und Salat für Falk zwischen meinen Umzugskisten. Aber wenn er mich so nicht mag, hat es sowieso keinen Sinn.
Falk lacht und küsst sie auf die Nasenspitze.
»Ich lade dich ein«, erwiderte er. »Was hast du denn gedacht? Deinen Start in Berlin und unser Kennenlernen, das müssen wir feiern! Ich lade dich ein, und später kannst du mich gerne einmal bekochen, Luna. Mach dir doch nicht jetzt schon so einen Stress. Ich hole dich um halb acht hier ab und dann machen wir uns einen schönen Abend. Komm. Ich freu mich so darauf.«
»Okay«, flüstert Luna und fühlt jetzt auch die Vorfreude in sich aufsteigen. Morgen sehe ich ihn wieder, denkt sie. Er will es so, ich bin ihm wichtig, nach einem einzigen Abend schon. Nach einem letzten langen Kuss steigt sie aus.
Luna hat kaum das Licht im Hausflur angeschaltet, da fühlt sie schon den Vibrationsakku ihres Handys in der
Manteltasche. »SCHLAF GUT«, schreibt Falk. »ICH FREU MICH AUF MORGEN. DEIN F.«
In ihrem Zimmer findet sie den Lichtschalter nicht sofort. Im Schein der Straßenlaterne, die durch ihr Fenster leuchtet, sieht sie Falks Wagen noch immer in zweiter Reihe stehen. Wie süß von ihm, denkt sie, er hat gewartet, bis ich sicher im Haus bin. Sie tritt ans Fenster und winkt ihm zu, er scheint es nicht zu bemerken. Erst als sie doch noch das Deckenlicht anschaltet, hebt er ebenfalls die Hand. Luna spürt jetzt doch wieder, wie müde sie ist, der Rotwein lässt ihren Kopf schwimmen, in der Küche findet sie die benutzte Teetasse vom Nachmittag und füllt sie mit Leitungswasser, das sie lange laufen lässt, es muss schön kalt sein. Sie klettert aufs Hochbett und bezieht das Laken, streift die Bezüge über Decke und Kissen, stößt sich den Kopf, geht ins Bad, um sich die
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