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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Wohnung zurückfahren mochte ich nicht. Es war immer so leer dort, wenn er nicht mehr da war. Ich fuhr ziellos herum, zuerst ins Zentrum, dann zum Stadtrand, durch den Løgvstakktunnel und ins Fyllingsdal, den Dag Hammarskjöldsvei herum, weiter nach Straume und hinauf nach Flesland. Ich überquerte den Flughafenzubringer, fuhr ins Blomsterdal hinein und bog links ab, folgte der Straße in Richtung Rådal, am Stadion in Fana vorbei. Die Dämmerung war schmutzig grau geworden und die hohen Flutlichter im Stadion leuchteten. Es regnete immer noch.
    Ich fuhr wieder in Richtung Stadt. Dann kam mir eine Idee, und ich bog zu der Baustelle ab, auf der ich drei Tage vorher mit Arve Jonassen gesprochen hatte. Ich fuhr nicht ganz an das Gebäude heran, sondern parkte ein Stück entfernt.
    Ich blieb im Wagen sitzen, im Dunkeln. Ich weiß nicht, warum ich sitzen blieb. Ich weiß nicht, was ich erwartete. Wahrscheinlich wollte ich nur Zeit totschlagen. Das Tor zur Baustelle war geschlossen. Vor dem Gebäude stand ein großer Lastwagen. Er parkte direkt an einer der Seitenwände, zum Teil verdeckt von einem Anbau. Das Gebäude lag dunkel und still da und schien vollkommen verlassen zu sein. Dennoch hatte ich ein eigenartiges Gefühl. Irgendetwas stimmte nicht: der Lastwagen – sein Standort. Ich versuchte mich zu erinnern, wie es dort ausgesehen hatte. Genau dort, wo der Lastwagen stand, war eine Türöffnung. Dort hinein war der junge Bauarbeiter gegangen, mit dem ich geredet hatte.
    Ich kurbelte vorsichtig die Scheibe herunter. Dann löste ich die Handbremse und ließ den Wagen ein paar Meter weiter in Richtung Baustelle rollen.
    Ich hörte Geräusche. Zwar sehr undeutlich, aber dennoch hörbar. Sie kamen vom Lastwagen, in regelmäßigen Abständen – als sei jemand dabei, ihn zu beladen.
    Irgendetwas geschah dort – im Dunkeln.

24
    Die Regentropfen zerplatzten an meiner Windschutzscheibe. Das Wasser verteilte sich über das Glas. Die schwarze Straßendecke glänzte vor mir. Auf der rechten Straßenseite standen große, braune Holzvillen und flache Mietshäuser aus den Dreißigerjahren. Ein Stück weiter sah ich einen leeren Gastank und die Rückseite einer Stehtribüne. Nicht weit entfernt dröhnte der Verkehr auf der Hauptausfallstraße in Richtung Südosten. Auf dem Gehweg vor dem Gastank kam mir langsam ein Paar entgegen, eng umschlungen unter einem schwarzen Regenschirm. Beide trugen Gummistiefel; sie trug eine orangefarbene Regenjacke.
    Ich saß da und lauschte auf den Regen. Er trommelte ununterbrochen auf das Autodach. Ohne Melodie und Rhythmus, ein ununterbrochenes Rauschen, wie aus tiefen Wäldern oder wie am Meer, wo die Wellen ständig rauschen. Oder wie ein Chor junger Mädchen, der einem aus weiter Ferne etwas zuflüstert, ein Jugendtraum, und man ist nicht in der Lage, ein einziges Wort zu verstehen.
    Das junge Paar ging vorbei, ohne mich anzusehen. Sie ging auf meiner Seite, das Gesicht ihm zugewandt. Ihr Haar war hell und lockig, und sie trug unter der Regenjacke eine dunkelgrüne Samthose.
    Unten auf der Baustelle geschah etwas. Ich hörte, dass die hinteren Türen des Lastwagens zugeschlagen wurden und ein großer Bolzen mit einem krachenden Geräusch einrastete. Ein Mann lief schnell vor und öffnete das Tor. Er war kräftig gebaut und trug eine dunkle Strickmütze auf dem Kopf. Es war zu dunkel, um seine Gesichtszüge zu erkennen. Er lief zum Lastwagen zurück und stieg ein. Der Motor wurde gestartet, der Wagen rollte an, hustete hässlich beim Schalten und rollte weiter durch das Tor und bog dann nicht zu mir, sondern in die andere Richtung ab. Der Wagen wartete, bis derselbe Mann herausgesprungen war und das Tor wieder hinter sich geschlossen hatte. Er prüfte, ob es auch wirklich zu war und warf einen schnellen Blick auf die Baustelle. Ich versank tief in meinem Sitz, für den Fall, dass er in meine Richtung sah. Er hätte auch allein sein können, aber das war er nicht. Im Führerhaus hatten zwei gesessen.
    Dann startete der Wagen wieder und rollte über die Bordsteinkante.
    Ich warf vorsichtig den Motor an und folgte dem Lastwagen mit genügend Abstand auf die nächste Ampel zu. Er blinkte nach rechts, blieb aber bei Rot stehen. Ich fuhr an die Seite und ließ den Motor laufen. Als es Grün wurde und er auf die Kreuzung fuhr, schoss ich so schnell vom Straßenrand weg, wie es mein Wrack leisten konnte. Ich fuhr bei Gelb über die Straße und hielt mich auf der gleichen Spur wie er, nur dreißig,

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