Dornröschengift
« Sie nickte . »Und das Plastikteil? Das piepst doch, wenn du den Laden ver lässt. « »Habe ich vorher rausgeschnitten und das Loch zu Hause zuge näht. Ein paar Pailletten darüber und nichts mehr zu sehen. « »Jamaica, das ist Diebstahl!« Ich starrte sie an. Ein paarma l schwänzen, Entschuldigungen fälschen – ja, so etwas passte z u Jamaica. Aber Diebstahl ? »Ich weiß.« Sie nickte. »Dafür kann man ins Gefängnis kom men. «
»Wenn du vorbestraft bist, dann … « »Meinst du, ich mache das jede Woche? Nein! Nur dieses ein e Mal. Dieses Kleid wird, es muss mein Leben retten, verstehs t du! « »Nein, das verstehe ich nicht. « Bei Jamaicas dunkler Hautfarbe konnte sie gar nicht blass wer den, aber es kam mir so vor. Ihre dunklen Augen wirkten noc h schwärzer als sonst . »Lisa ist tot und dein Bruder…he, wenn ich in nächster Zei t sterben soll, möchte ich einmal im Leben so ein Kleid getrage n haben, mich ein einziges Mal fühlen, als sei ich Germany’s Nex t Topmodel! « Ich sagte kein Wort mehr. Jamaica war nicht im Recht, dennoc h verstand ich, was in ihr vorging. Denn ich wollte noch einma l mit Finn in diesem Hotel sein und ihn küssen . Aber ich würde nicht sterben und Jamaica auch nicht ! »Na ja«, seufzte ich. »Jetzt ist es sowieso zu spät.« Mir fiel etwa s ein. »Wie willst du das deiner Mutter erklären? « Jamaica zuckte die Schultern. »Die kommt sowieso nicht zu m Ball, weil sie arbeiten muss. Weißt du, wer heute Abend ein e Reservierung im Restaurant hat? « »Keine Ahnung! « »Dieter Bohlen! « Wir brachen in Lachen aus .
Damenwahl
D as Kleid machte mich nervös, die Schuhe verursachten Panik attacken. Noch nie hatte ich mich so unsicher gefühlt. Der schwarze Taft rauschte beim Gehen und es schien mir wie ein düsteres Versprechen, dass dieser Abend ein Reinfall würde. Kurzum: Ich war nicht ich selbst. Was vielleicht nicht einmal ein Nachteil war. Unvorstellbar, dass meine Mutter es vor Kurzem kaum ge schafft hatte, aus dem Bett zu kommen. Nun war ihre Stim mung ins genaue Gegenteil gekippt. Übertrieben laut und fröh lich wiederholte sie immer wieder, wie erwachsen ich aussah. »Einfach toll!« Die meisten von uns hatten sich bereits auf der Tanzfläche ver sammelt. Valerie und Ruven sahen zusammen aus wie ein Brautpaar. Sie trug ein beigefarbenes Satinkleid, das unterhalb der Brust geschnürt war und bis zum Boden reichte. Lange Trompetenärmel verdeckten ihre Hände. Ruvens schwarze Samtjacke besaß zwei Reihen silberner Knöpfe wie eine Uni form. Darunter schaute ein weißes Hemd mit Stehkragen her vor. Ich fand es einfach albern, wie sie aussahen. Mein Blick schweifte durch die Aula auf der Suche nach Carlotta. Sie saß mit ihren Eltern am Tisch und schien nicht gerade glücklich zu sein. Im Gegensatz zu ihren besten Freunden hatte sie sich für ein schlichtes Kleid entschieden, das keinerlei Schmuck auf wies. Als ob sie Trauer trägt, dachte ich.
Tom gab sich alle Mühe, mich aufzuheitern. Er wich nicht von meiner Seite und spulte das komplette Gentleman - Programm ab. Hielt mir die Tür auf, half mir aus dem Mantel, brachte Ge tränke, begrüßte an meiner Seite meine Freunde und deren El tern, bestätigte Komplimente über mein Aussehen mit einem Nicken. Ganz so, als gehöre ich ihm. Er nervte gewaltig und ich musste unwillkürlich den Impuls un terdrücken, mich aufs Klo zu flüchten, um endlich Ruhe vor ihm zu haben. Endlich entdeckte ich Jamaica auf der Tanzfläche. Ich winkte ihr zu und sie kam zu mir herüber. Sie sah umwerfend aus. Das Kleid war der helle Wahn! Silberne Pailletten funkelten im Licht der Kerzen, die überall auf den Ti schen standen, und während ausnahmslos alle lange Kleider trugen, reichte ihres nur knapp übers Knie. Woher die silber nen Pumps und die riesigen Ohrringe stammten, wollte ich gar nicht erst wissen. »In dem Kleid kannst du dich unmöglich setzen«, flüsterte ich ihr zu. »Sonst rutscht der Stoff hoch und man sieht deinen Slip!« »Bist du sicher, dass ich einen trage?«, kicherte sie und ver schlang Tom mit ihren schwarzen Augen. Kurzum, sie war ge nau in der Stimmung, die sie prophezeit hatte. Als könnte die ser Abend tatsächlich ihrem Leben eine entscheidende Wende geben! Es war mir allerdings völlig schleierhaft, warum ihr entging, dass Tom keinen einzigen Blick an sie verschwen dete. Und dann kam Finn auf uns zu. Finn in einer normalen Jeans, ei nem schwarzen Hemd und einem gleichfarbigen Sakko, das lo cker auf
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