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Dornröschengift

Dornröschengift

Titel: Dornröschengift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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schwarzes Täschchen mit Samtbesatz. So war meine Oma in die Oper ge gangen. »Sofie!«, rief sie aufgeregt. »Weißt du, wo Lena ist?« Sie wirkte aufgeregt und machte einen abgehetzten Eindruck. Auch mein Vater war aufgestanden und sah sich suchend im Saal um. Ist das menschliche Gehirn nicht der totale Wahnsinn? Mann, in diesem Moment dachte ich alles gleichzeitig. Meine Gedanken liefen sozusagen parallel. Jamaica hatte gesagt, ihre Mutter müsse arbeiten. Warum also tauchte diese plötzlich hier auf? Zudem wusste sie nichts von dem Kleid. Besser, sie bekam ihre Tochter nicht zu Gesicht. Oder sollten wir behaupten, ich hätte Jamaica das Geld gelie hen? Es könnte auch reduziert gewesen sein. Zwanzig Euro. Mehr nicht. H&M eben. Aber erst musste ich Jamaica finden, um sie zu warnen. Andererseits: Wenn es tatsächlich Finn gewesen war, mit dem sie diese Nummer dort draußen abgezogen hatte, dann hatte sie es gar nicht verdient, gewarnt zu werden. Am Ende blickte ich Jamaicas Mutter gehetzt an. »Keine Ah nung, wo sie steckt«, murmelte ich und flüchtete mich in die Toilette.
    Niemand war zu sehen – nichts zu hören . Eilig klapperte ich auf meinen hohen Absätzen die Kabinentü ren entlang und schließlich registrierte ich: Am Ende der rech ten Reihe zeigten zwei Türen das Besetztzeichen . »Jamaica«, rief ich halb laut in die Stille . Ich erhielt keine Antwort, dennoch hatte ich das untrüglich e Gefühl: Ich war nicht allein . »Jamaica? « Stille . »Ich wollte dich nur warnen: Deine Mutter ist da! « Nein, ich hatte mich getäuscht. Sie war nicht hier . Seufzend drehte ich mich um, doch als ich schon fast am Aus gang war, hörte ich ein Flüstern . Unwillkürlich blieb ich stehen . Na ja, ehrlich gesagt, ich ließ die Tür laut ins Schloss fallen. Na türlich von innen, denn eines war klar: Wenn hier jemand au f dem Klo war, würde er jetzt mit Sicherheit herauskommen . Aber sich in der Toilette zu verstecken, dafür gab es viele Grün de. Zum Beispiel, dass etwas Verbotenes vor sich ging. Man zo g sich zum Beispiel zum Rauchen zurück, schmierte die Klotüre n mit coolen Weisheiten voll oder veranstaltete geheime Treffen . Und dann hörte ich es erneut: Ein unterdrücktes Schluchze n kam aus der hintersten Kabine, dem ein ungeduldiges Gemur mel antwortete . Eilig zog ich meine Schuhe aus und schlich mich leise zu de n Waschbecken. Dort blieb ich stehen . »Ich halt das nicht aus!«, sagte jemand . Nein, nicht jemand, sondern eindeutig Carlotta. Und hundert prozentig war es Valerie, die genervt erwiderte: »Aber wir ha ben doch nichts getan! Und deshalb hältst du auch dein e Klappe! « »Das kann ich nicht! «
    Irgendetwas ging da vor sich und, verdammt noch mal, ich hat te keinen blassen Schimmer. Das machte mich rasend. Nun hörte ich wieder Valeries überreizte Stimme: »Wir gehen da jetzt raus und du denkst daran: Das Ganze ist ein Spiel. Du hast die Chance zu den Schattenelfen, zu den Begründern von Seeland zu gehören. Wir werden das Volk sein, das Mikilin Borg zu neuem Ruhm verhilft.« Enttäuscht wandte ich mich um. Es ging um eines ihrer Spiele. Sie befanden sich lediglich auf ei nem Trip, der sie in ihre Fantasiewelt führte. Aber da draußen war die Wirklichkeit und in der musste ich jetzt Jamaica finden, bevor es Ärger gab. Ich streifte die Schuhe über, säuberte sie flüchtig mit einem Pa pierhandtuch und verließ die Toilette. Es war ein ungünstiger Moment, denn ich stieß fast mit Frau Schuster zusammen, die mich erleichtert begrüßte: »Ist Lena da drinnen? Sie war so traurig, dass ich nicht zu ihrem Abschluss ball kommen konnte. Ich wollte sie überraschen, deshalb hat Frau Jansen mir für den Rest des Abends freigegeben.« Eine Lüge fällt leichter, wenn man nichts sagt, sondern nur den Kopf schüttelt. »Ehrlich, dieses Mädchen bringt mich zur Verzweiflung. Sie macht, was sie will. Egal, was ich sage: Es ist falsch. Erklär du es mir.« Hinter uns kamen Carlotta und Valerie aus der Toilette, Car lottas Gesicht fleckig vom vielen Weinen. Vergeblich hatten sie versucht, die Tränen mit noch mehr Make-up zu vertu schen. In diesem Augenblick legte jemand seine kalte Hand auf meine nackte Schulter. Erschrocken wandte ich mich um: »Da bist du ja!« Tom stand vor mir. »Deine Eltern suchen dich. Sie wollen gehen. Deine Mam fühlt sich nicht gut.«
    Ich sah mich automatisch nach meinen Eltern um, konnte sie je doch nicht entdecken . »Wir müssen uns beeilen«, fuhr er fort. »Der Tango

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