Dornröschengift
gesagt. Und woher hatte er diese Urkunde? Ganz unten fand ich den Originalstempel. Mit einiger Mühe konnte ich das Datum der Beglaubigung entzif fern: Hamburg, 30. Juli 2006. Diese Kopie war am 30. Juli 2006 vom Standesamt Hamburg ausgestellt worden.
Da war Mike noch zu Hause gewesen . Hatte er von dieser Urkunde gewusst? Hatte er selbst sie bean tragt ? Aber woher hatte Tom dann die Urkunde? Warum bewahrte e r sie in diesem Buch auf ? Ich sprang auf: Wer war er wirklich ? Aufmerksam blickte ich mich im Zimmer um und öffnet e schließlich den Kleiderschrank. Ganz unten stand ein Rucksack . Ich zog ihn heraus und überprüfte ohne Zögern die Seitenta schen. Sie waren leer. Im Deckel fanden sich ein Taschenmes ser, eine alte Busfahrkarte, ein Päckchen Kaugummi, ein Stirn band, einige australische Münzen . Nicht gerade spektakulär . Entschlossen klappte ich den Deckel nach hinten und löste di e Schnur. Das Innenfach war geräumig, wenn auch leer. Lediglic h das untere Fach war prall gefüllt. Als ich es öffnete, fiel mir ei n Schlafsack entgegen. Übrig blieb nur ein Innenfach an der Rü ckenseite des Rucksackes. Ich zog den Reißverschluss zur Sei te, fuhr mit der Hand hinein und fühlte etwas Flaches: eindeuti g Papiere ! Meine Finger zitterten, als ich das Bündel hervorzog . Der abgegriffene Umschlag war von einem Reisebüro. Profi Tra vel – über dieses Büro hatte auch Mike die Reise nach Austra lien gebucht. Ich öffnete ihn und prüfte das Flugticket, das au f Toms Namen ausgestellt war . Brisbane – Los Angeles – München – Rostock . 29 Stunden Flugzeit . Ankunft am 29. April 2007 . Tom war dieselbe Strecke geflogen wie Mike . Ich wollte das Ticket zurück in den Umschlag stecken, als mi r etwas einfiel . Stopp !
Tom war am 30. April zu uns gekommen. Am Morgen des 30 . war er in Hamburg gelandet. Das wusste ich genau, denn es wa r das Datum, für das Mike seinen Rückflug gebucht hatte. Doc h laut Flugticket war Tom bereits einen Tag früher angekommen . Nun, das musste nichts bedeuten, oder? Er konnte einen Tag i n Hamburg oder Rostock verbracht haben . Aber warum hatte er nichts davon gesagt ? Ungeduldig öffnete ich zum zweiten Mal das Deckelfach de s Rucksackes. Hier war doch irgendwo eine Busfahrkarte gewe sen . Da! Ich faltete sie auf und strich das zerknitterte Papier glatt . Linie A122 .
29. April 2007 . Abfahrt 20:03 in Rostock . Der Acht - Uhr-Bus . Ich fühlte, wie mir plötzlich schwindelig wurde. Sah wieder di e Lichter des Busses im Nebel auf mich zukommen. Spürte den Re gen und dieses unheimliche Gefühl, das ich an dem Abend von Li sas Verschwinden empfunden hatte, breitete sich in mir aus . Das Gesicht, das mich anstarrte . Konnte es Tom gewesen sein ? Nur – wie konnte er wissen, dass ich es war? Sofie ? Gänsehaut überzog meine Arme. Ich sog hörbar den Atem ei n und es überraschte mich, dass ich keine Angst empfand, son dern nur grenzenlose Wut . In der nächsten Sekunde sprang ich auf . Ich wollte verdammt noch mal wissen, was dieser Typ für ei n Spiel spielte! Und, das schwor ich mir, ich würde es herausfin den. Ich war niemand, der schnell aufgab. Zu irgendetwa s musste es schließlich gut sein, wenn man als Streber galt . Sorgfältig packte ich alles zurück in den Rucksack und verlie ß Toms Zimmer .
Nein, nicht Toms – Mikes Zimmer!
Zurück in meinem Zimmer, suchte ich nach der letzten Mail, die Mike geschrieben hatte. Sie war nur kurz.
18. Januar 2007
Brisbane, Mike
Night on January 1st, 2007
Stimmung: I feel homesick!
Zitat des Tages: Whatever happens, don’t let go of my hand!
Dear sisterheart,
was essen eigentlich die Australier, fragst du. Natürlich Kängurus, Wasserbüffel, Emus und – Krokodile; dazu zerkochtes salzloses Gemüse. Als Spezialität gelten auch der Bärenkrebs und der Balmain-Käfer aus der Spezies der Krustentiere. Ich höre dich schon Igitt rufen. Jetzt verstehst du sicher, dass ich mich nach deutschem Essen sehne! Und nur wegen des Essens (grins. – )) komme ich wie geplant am 30. April zurück. Tom ist ziemlich sauer auf mich, weil ich nicht die Absicht habe, länger hierzubleiben. Er würde zu gerne mit mir nach Deutschland fliegen, um seiner Mutter zu entkommen, mit der er sich überhaupt nicht versteht. Allerdings kann er sich das Flugticket nicht leisten. Andererseits bin ich froh, ihn eine Zeit lang nicht zu sehen. Er ist ziemlich nervend. Ständig leidet er unter diesen Kopfschmerzen, ist reizbar, manchmal sogar
Weitere Kostenlose Bücher