Dornroeschengift
bleibst zu Hause! « Meine Mutter stand auf und begann, den Tisch abzuräumen . Tom erhob sich, um ihr zu helfen. Es war wie früher, wenn si e sich mit Mike gegen mich verbünden wollte. Nur hatte Mik e sich nie darauf eingelassen . »Tom«, erklärte sie nun, während sie die Teller aufeinandersta pelte, »du kannst dir einen von Mikes Anzügen nehmen. Er wir d dir passen. Ihr habt dieselbe Größe und Figur. « Ich konnte es nicht glauben. Mam bestimmte, mit wem ich zu m Abschlussball ging ! Nicht mit mir! Ich traf meine eigenen Entscheidungen !
Crocodile Dundee
D ie nächsten Tage hatte ich keine Gelegenheit, mit Finn zu spre chen. Tom brachte mich zur Schule und holte mich wieder ab. Sobald ich aus dem Schulgebäude trat, war er schon da. Lisas Beerdigung war endlich vorbei. Die ganze Schule hatte da ran teilgenommen. Es war schrecklich gewesen. Ihre Mutter hatte die ganze Zeit laut geschluchzt und Mam, das war das Schlimmste, waren die Tränen über das Gesicht gelaufen, ohne dass sie einen Ton von sich gab. Ich wusste, sie hatte jeden Au genblick an Mike gedacht. Daher war ich froh, dass Jamaica nach der Beerdigung mit zu uns kam. Beim Mittagessen plauderte sie sorglos mit Tom und mei nen Eltern. Erzählte aufgeregt von der Insel Jamaica und ihrem Plan, irgendwann dorthin zu reisen, um ihren Vater zu suchen. Ihre Unbeschwertheit hatte Mam sogar dazu gebracht, einmal zu lächeln. Dafür war ich ihr dankbar. Nun saß ich am Schreibtisch und versuchte vergeblich, die phy sikalischen Gesetze des Magnetismus in den Kopf zu bekom men. Es war kaum möglich, denn in meinem Kopf spukte noch immer herum, was Tom über Finn gesagt hatte. »Sofie, kannst du die Bücher nicht endlich zur Seite legen? Bei den ganzen Formeln, da kriegst du ja einen Augenschaden, du zerstörst deine Gehirnzellen damit«, hörte ich Jamaica. »Quatsch!« Sie seufzte lange und anhaltend. »Und weißt du, wohin ER ver schwunden ist? Der konnte es ja gar nicht abwarten, vom Essen aufzustehen!«
»Wer?«, fragte ich betont gleichgültig und musste mir ein Grin sen verbeißen. Sollte sie ruhig ein bisschen schmoren. »Na, Crocodile Dundee. Wie ist er denn so?« »Keine Ahnung.« »Keine Ahnung? Hey – was bist du eigentlich für eine Freun din?«, rief sie entrüstet. Ich wandte mich um. Sie stand im Kopfstand auf meinem Bett, die Beine an die Wand gelehnt. »Du machst mich nervös«, sagte ich. Ihre Beine fielen aufs Bett zurück. »Und du mich wahnsinnig. Du wohnst seit fast zwei Wochen mit dem bestaussehenden Jun gen, nein, jungen Mann Tür an Tür«, sie klopfte gegen die Wand, »aber du hast keine Ahnung, wie er ist?« Ich zuckte mit den Schultern. Jamaica hatte ja recht. Aber ich wurde nicht schlau aus Tom. Er wohnte bei uns, als sei das immer so gewesen. Er schlief in Mikes Zimmer und besonders gerne half er Mam im Garten oder unterhielt sich mit Hendrik. Tatsache war, er hatte meine Mutter aus ihrer Trauer und der tiefen Depression gerissen. Da für war ich ihm dankbar. Aber meinen Bruder – den würde er mir niemals ersetzen kön nen. Und je mehr er es versuchte, desto stärker zog ich mich von ihm zurück. »Er ist halt irgendwie«, überlegte ich, »einfach da. Meiner Mut ter geht es besser, seit er hier ist.« Jamaica seufzte, ließ sich mit dem Rücken aufs Bett fallen, seufzte erneut und fragte: »Meinst du, deine Eltern würden mich adoptieren? Meine Mutter treibt mich in den Wahnsinn. Den lieben langen Tag meckert sie an mir herum, ich solle mehr für die Schule tun, mich nicht allein in der Gegend he rumtreiben...«Sie lachte. »Aber sie findet es gut, wenn ich viel Zeit mit dir verbringe. Du bist schließlich ein braves Mäd chen. Brav! Das Wort stammt ja noch aus dem letzten Jahrhun dert. « Ich ersparte mir die Antwort, dass das letzte Jahrhundert gera de einmal sieben Jahre her war . »Aber ich«, fuhr sie fort, »ich gehöre doch eigentlich nicht hier her. Irgendwann werde ich abhauen. « »Wohin? « Sie seufzte. »Nach Jamaica natürlich! Zu meinem Vater! « »Aber du kennst ihn doch gar nicht«, bemerkte ich vorsichtig . Ich wollte sie nicht verletzen, aber andererseits musste Jamaic a doch irgendwann begreifen, dass ihr Vater sie im Stich gelasse n hatte . »Ich werde ihn finden«, erklärte sie bestimmt . Es war nicht das erste Mal, dass sie davon sprach abzuhauen . Dann tat sie mir schrecklich leid. Klar, es war nicht immer ein fach, mit Eltern zusammenzuleben. Davon konnte ich gerad e die letzten Tage ein Lied
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