Double Cross. Falsches Spiel
steigen, Sir?«
»Ungern«, sagte Neumann. »Es ist spät, ich bin müde, das Wetter ist scheußlich, und ich möchte möglichst schnell ans Ziel kommen.«
»Und wohin fahren Sie, wenn ich fragen darf, Sir?«
»Kingston«, sagte Neumann, obwohl er wußte, daß er damit nicht durchkommen würde. Ein anderer Polizist tauchte an Cathe rines Fenster auf. Zwei weitere gingen hinter dem Lieferwagen in Stellung. Der Polizist riß Neumanns Tür auf, richtete die Flinte auf seinen Kopf und sagte: »Okay, nehmen Sie die Hände hoch, damit ich sie sehen kann, und steigen Sie schön langsam aus.«
Jenny Colville saß, an Händen und Füßen gefesselt und geknebelt, auf der dunklen Ladefläche. Ihre Handgelenke schmerzten, und auch der Rücken und das Genick taten ihr weh.
Wie lange sie wohl schon gefahren waren? Zwei Stunden? Drei Stunden? Vielleicht vier? Als der Wagen langsamer wurde, schöpfte sie kurz Hoffnung. Sie dachte: Vielleicht ist das alles bald vorbei, und ich kann zurück nach Hampton Sands. Mary und Sean und mein Vater werden dort sein. Alles war nur ein böser Traum und... Sie riß sich zusammen. Sie mußte realistisch bleiben.
Sie hatte die beiden Spione auf dem Vordersitz beobachtet.
Sie hatten lange Zeit leise auf deutsch miteinander gesprochen, und dann war die Frau eingeschlafen. Aber jetzt schüttelte Neumann sie, um sie zu wecken. Durch die Windschutzscheibe sah Jenny Lichter - Lichtstrahlen, die hin-und herwanderten, wie von Taschenlampen. Polizisten an Straßensperren haben solche Lampen, dachte sie. War das möglich? Wußten sie, daß die beiden deutsche Spione waren und sie entführt hatten?
Suchten sie nach ihr?
Sie hielten an. Sie sah zwei Polizisten vorne am Wagen stehen und hinten hörte sie die Schritte und Stimmen von mindestens zwei weiteren. Einer der Polizisten klopfte an die Scheibe.
Neumann kurbelte das Fenster herunter. Er hatte seine Pistole gezogen. Jenny warf einen Blick auf die Frau. Sie hielt auch eine Pistole in der Hand.
Dann kam ihr wieder zu Bewußtsein, was in der Scheune passiert war. Zwei Menschen - ihr Vater und Sean Dogherty - hatten den Spionen im Weg gestanden, und sie hatten sie beide umgebracht. Vielleicht hatten sie Mary auch ermordet. Sie würden sich nicht ergeben, nur weil ein paar Dorfpolizisten sie dazu aufforderten. Sie würden die Polizisten ebenfalls töten, genau wie sie ihren Vater und Sean getötet hatten.
Jenny hörte, wie die Tür aufging und der Polizeibeamte sagte, sie sollten aussteigen. Sie wußte, was geschehen würde. Sie würden nicht aussteigen, sondern schießen. Dann wären die Polizisten tot, und Jenny wäre wieder allein mit ihnen.
Sie mußte die Polizisten warnen.
Aber wie?
Sie konnte nicht rufen, weil Neumann sie so fest geknebelt hatte.
Sie konnte nur eines tun.
Sie hob die Beine und trat mit aller Kraft gegen die Seitenwand des Lieferwagens.
Jennys Tat hatte zwar nicht die erhoffte Wirkung, doch sie verschaffte zumindest einem der Beamten einen gnädigeren Tod. Als der Mann neben Catherine Blakes Tür sich nach dem Geräusch umdrehte, hob Catherine ihre Mauser und schoß. Die Kugel durchschlug das Fenster, traf den Polizisten am Kinn, wurde abgelenkt und drang ihm ins Gehirn. Er brach tot am Straßenrand zusammen.
Das zweite Opfer war der Polizist an Neumanns Tür, auch wenn der tödliche Schuß nicht von Neumann abgegeben wurde.
Neumann schlug mit einer schnellen Bewegung seiner rechten Hand die Schrotflinte beiseite, und Catherine drehte sich um und feuerte durch die offene Tür. Die Kugel fuhr dem Beamten in die Stirn und trat hinten wieder aus. Er stürzte rückwärts auf die Straße.
Neumann ließ sich aus dem Wagen fallen und landete auf dem Boden. Einer der Beamten an der Rückseite des Wagens feuerte. Das Geschoß flog über Neumanns Kopf hinweg und zerschmetterte das halboffene Fenster. Neumann drückte zweimal kurz hintereinander ab. Die erste Kugel traf den Polizisten in die Schulter, die zweite durchbohrte das Herz.
Catherine sprang aus dem Wagen und zielte mit ausgestreckten Armen in die Dunkelheit. Neumann tat dasselbe, nur daß er noch immer auf dem Bauch lag. Beide warteten und horchten in die Stille.
Der vierte Beamte hielt es für das beste, zu fliehen und Hilfe zu holen. Er machte kehrt und rannte in die Dunkelheit. Nach wenigen Schritten geriet er in Neumanns Schußfeld. Neumann zielte sorgfaltig und feuerte zweimal. Das Geräusch der Schritte verstummte, die Schrotflinte glitt über die Straße, und
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