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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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ohnehin nicht so. Der Geheimdienst kommt zu den Leuten, und nie umgekehrt. In meinem Fall kam er in der Gestalt Kurt Vogels.«
    Sie erzählte ihm die Geschichte, die sie noch keinem anderen Menschen erzählt hatte. Von jenem Sommer in Spanien, als der Bürgerkrieg ausbrach. Von dem Sommer auf Marias Estancia.
    Von ihrem Verhältnis mit Marias Vater. »Mein Pech, daß er sich als Faschist und Talentspäher der Abwehr entpuppte. Er verkaufte mich an Vogel, und Vogel kam mich begutachten.«
    »Warum haben Sie nicht einfach nein gesagt?«
    »Warum hat keiner von uns einfach nein gesagt? Vogel drohte, mir den einzigen Menschen zu nehmen, der mir etwas bedeutet, meinen Vater. So arbeitet ein guter Führungsoffizier.
    Er weiß, was in dir vorgeht. Er weiß, was du denkst und was du fühlst, was du liebst und was du fürchtest. Und er benutzt dieses Wissen, damit du tust, was er von dir verlangt.«
    Sie rauchte eine Weile schweigend und sah aus dem Fenster, während sie durch ein weiteres Dorf fuhren.
    »Er wußte, daß ich als Kind in London gelebt hatte, daß ich perfekt Englisch sprach, daß ich bereits mit einer Waffe umgehen konnte und daß...«
    Sie schwieg einen Moment. Neumann drängte sie nicht. Er wartete nur gespannt.
    »Er wußte, daß ich für den Auftrag, der ihm vorschwebte, die richtige Persönlichkeit hatte. Ich lebe jetzt seit fast sechs Jahren in Großbritannien und hatte in dieser Zeit so gut wie keinen Kontakt zur deutschen Seite. Keine Freunde, keine Angehörigen, keinerlei Kontakt mit anderen Agenten, nichts.
    Mein Auftrag glich eher einem Gefängnisaufenthalt. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie oft ich davon geträumt habe, nach Berlin zurückzukehren und Vogel mit einer jener wundervollen Methoden umzubringen, die er und seine Freunde mir beigebracht haben.«
    »Wie sind Sie nach England gekommen?«
    Sie erzählte es ihm, erzählte, was sie auf Befehl Vogels getan hatte.
    »Mein Gott«, murmelte Neumann.
    »So was tut die Gestapo auch, nicht wahr? Im ersten Monat machte ich mich mit meiner neuen Identität vertraut. Dann ließ ich mich nieder und wartete. Vogel und ich konnten über Funk kommunizieren, ohne Decknamen zu verwenden. Deshalb suchten die Briten nie nach mir. Vogel wußte, daß meine Tarnung perfekt war. Und dann gibt mir der Idiot einen Auftrag, der mich geradewegs dem MI5 in die Arme führt.« Sie schwieg einen Augenblick. »Mein Gott, ich kann es noch gar nicht glauben, daß ich nach all der Zeit tatsächlich zurückkehre. Ich hätte nicht gedacht, daß ich Deutschland jemals wiedersehe.«
    »Sie scheinen sich ja sehr darauf zu freuen, in die Heimat zurückzukehren.«
    »Heimat? Ich empfinde Deutschland nicht mehr als meine Heimat. Ich bin eigentlich keine Deutsche mehr. Vogel hat diesen Teil von mir in seinem hübschen Schlupfwinkel in Bayern ausgelöscht.«
    »Was werden Sie tun?«
    »Vogel treffen, mich vergewissern, daß mein Vater noch am Leben ist, mein Geld kassieren und verschwinden. Vogel kann mir noch einmal eine falsche Identität verpassen. Ich komme für fünf verschiedene Nationalitäten in Frage. Das hat mich überhaupt erst ins Spiel gebracht. Es ist doch alles ein großes Spiel, nicht wahr? Ein einziges großes Spiel.«
    »Wo gehen Sie hin?«

    »Zurück nach Spanien«, sagte sie. »Dort hat alles angefangen.«
    »Erzählen Sie mir davon«, sagte Neumann. »Ich muß an etwas anderes denken als nur an diese verdammte Straße.«
    »Die Estancia liegt in den Ausläufern der Pyrenäen. Morgens gehen wir auf die Jagd, und nachmittags reiten wir in die Berge.
    Es gibt dort ein herrliches Flüßchen mit tiefen Stellen, wo man baden kann. Wir verbringen dort den ganzen Nachmittag, trinken eiskalten Weißwein und genießen den Duft der Eukalyptusbäume. Ich erinnerte mich immer daran, wenn ich mich einsam fühlte. Manchmal dachte ich, ich werde verrückt.«
    »Klingt wundervoll. Wenn Sie einen starken männlichen Arm brauchen, lassen Sie's mich wissen.«
    Sie sah ihn an und lächelte. »Sie waren großartig. Wenn Sie nicht gewesen wären...« Sie zögerte. »Ach, ich wage gar nicht, daran zu denken.«
    »Nicht der Rede wert. Es freut mich, daß ich Ihnen helfen konnte. Ich will Ihnen nicht die Laune verderben, aber wir sind noch nicht außer Gefahr.«
    »Ich weiß. Das können Sie mir glauben.«
    Sie zog ein letztes Mal an ihrer Zigarette, öffnete das Fenster einen Spalt und schnippte sie in die Nacht hinaus. Dann lehnte sie sich zurück und schloß die Augen. Sie hatte

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