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Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)

Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition)

Titel: Draakk: Etwas ist erwacht. (Horrorthriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz C. Frey
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Bolle war sie darauf gewesen: ‘Schau mal, Papa! Mein Zahn ist locker, mein Zahn ist locker!’) hatte das gleiche seidenweiche blonde Haar wie ihre Mutter, mit der sie um die Wette strahlte. Glückliche, längst vergangene Zeiten. Wie eine richtige kleine Familie …
    Antonia war seinem Blick gefolgt und hatte ihren schmalen Körper hastig in die Sichtlinie zwischen ihren Vater und die Fotografie am Spiegel geschoben. Verlegen hatte er den Blick abgewandt und ihn durch das kleine, aufgeräumte Zimmer schweifen lassen. Weiße, schmucklose Wände, fast leer stehende Regale (Antonia war vor Kurzem ins Studentenwohnheim umgezogen – den Großteil ihrer Sachen hatte sie wohl schon mitgenommen) und alte, schwere Eichenschränke mit den Gebrauchsspuren vieler Jahrzehnte. Möbelstücke, die eine Geschichte erzählen konnten. Sie hatten sie gemeinsam aus Haushaltsauflösungen, von Flohmärkten und teilweise sogar vom Sperrmüll herbeigeschleppt. Damals, lange bevor das Treibgut im Fluss in die gefährliche Strömung geraten war.
    Neben den wenigen Büchern auf dem windschiefen Regalbrett stand eine holzgerahmte Fotografie ihrer lächelnden Mutter, ebenfalls aus besseren Zeiten. Viel besseren Zeiten. Das Sommerlicht spielte in ihrem lockigen blonden Haar und Anna lächelte glücklich auf den Betrachter hinab. Und sah verdammt hübsch dabei aus. Er fragte sich, ob er jemals zu solch bedingungsloser Liebe fähig gewesen war, wie sie Anna auf diesem Bild ausstrahlte. Und ob er es verdient hatte, diese Art von Liebe empfangen zu haben.
    Höchstwahrscheinlich nicht.
    Am schlimmsten war allerdings die Geburtstagstorte – ein verhunztes, zusammengefallenes Ding aus billiger Sahne und Fertigboden, das aussah, als sei es völlig ungenießbar. Ein paar Gartenerdbeeren, bei denen man sich nicht die Mühe gemacht hatte, die schmutzige Erde und die grünen Blätter zu entfernen, steckten darin wie einsame, rote Leuchtbojen auf einem traurigen Meer aus Sahne. Die Hälfte der achtlos hineingedrückten Kerzen war umgefallen. Zweifellos hatte sie die Torte von ihrer Mutter bekommen und nur Gott allein mochte wissen, wie dieser lieblos zusammengeklatschte Haufen Elend in Annas Augen aussah. Rasch hatte er den Blick wieder abgewandt.
    »Danke«, hatte Antonia daraufhin tonlos gesagt und sich ein weiteres Lächeln abgerungen. Nicht »Danke, Papa!«. Nicht »Nach Haus«. Damals noch nicht. Er hatte erfolgreich dem kurzen Impuls widerstanden, seine Tochter in die Arme zu reißen und ihr über die blonden Anna-Locken zu streichen. Sie an sich zu drücken, bis all ihre unterdrückten Tränen im Wollstoff seines eleganten Sommerjacketts versickert waren. Und seine. Bis sie ihren Vater wieder hatte und er seine Tochter. Und sie wieder eine richtige Familie waren.
    Stattdessen hatte er seine Hände in einer hilflosen Geste in die Taschen seiner dunkelblauen Gucci -Jeans gestopft und war kurz darauf, nach ein wenig belangloser Konversation à la »Wie läuft’s in der Uni?« »Gut, danke. Alles prima. Und du so?«, gegangen.
    Zurück im Wagen hatte er eine Weile in den leeren Raum vor seinem Lenkrad gestarrt. Anna war bei seinem Abgang nicht noch einmal aus dem Garten gekommen, worüber er ihr im Grunde ausgesprochen dankbar war. Dabei hatte sie mit Sicherheit gewusst, dass er den spontanen Geburtstagsbesuch bei seiner Tochter inzwischen beendet hatte. Das Knarren der alten Holztreppe, deren Reparatur er immer wieder aufgeschoben hatte, war einfach nicht zu überhören. Ein vertrautes Geräusch, das zu vermissen er sich nicht eingestehen wollte, damals. Nicht eingestehen durfte. In einer knappen Stunde hatte er schließlich einen Vortrag zu halten und am Abend würde sein Flieger nach Peru starten – die Würfel waren gefallen – rien ne va plus . Im Dschungel des Amazonas würden sie Geschichte schreiben, so hatte Dr. Murnauer ihnen in leuchtenden Farben ausgemalt und vermutlich hatte er damit sogar recht. Das Amazonas-Projekt war etwas, worauf sie alle sehr, sehr lange hingearbeitet hatten.
    Schließlich hatte er den silbergrauen Audi gestartet und war zur Konferenz gefahren. Die Wissenschaft rief, und anschließend die Getränkeauswahl in der ersten Klasse an Bord der 747.
    Und damit hatte Peter Singer das Ende der kleinen Familie besiegelt, die einst seine Familie gewesen war.

Zweiter Versuch
     
     
    Murnauer-Militärlabore, Sachsenwald
    D as Pochen in seinem Schädel hatte etwas nachgelassen. Sogar die bunten Schlieren begannen sich

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