Drachenblut 01 - Die Väter
Kapitel 1: Ein schwerer Anfang
Frühes
Mittelalter - irgendwo im heutigen Schweden.
Das
Innere der Hütte war dunkel und es stank fürchterlich. Inmitten von Schmutz und
Ungeziefer sah man die acht Kinder der Köhlerfamilie. Sie schliefen, spielten
mit Knochen und Schaben oder lagen einfach nur reglos am Boden umher. Keines
von ihnen nahm wirklich Kenntnis davon, dass ihre Mutter im Begriff dazu war,
ihnen ein weiteres Geschwisterkind zu schenken. Die Frau lag stöhnend auf einem
Haufen Stroh. Der Kopf des Säuglings schaute schon ein wenig hervor. Nur noch
ein letzter Schub sollte erforderlich sein, damit dieser neue Erdenbürger das
Licht der Welt erblickte. Das Licht der Welt - ein seltsamer Ausdruck. Denn hätte dieses schutzlose Wesen gewusst, dass sein Schicksal bereits
feststand, dann hätte es die Geburt zweifellos verweigert und wäre lieber im
warmen, schützenden Bauch der Mutter geblieben.
Als die
Frau des Köhlers ihm mitteilte, dass sie wieder schwanger sei, da reagierte
dieser alles andere als begeistert - ganz im Gegenteil. Er schlug seine Frau
heftig ins Gesicht und beschimpfte sie aufs Übelste: »Kannst Du dummes,
nutzloses Weib denn nicht Acht geben?«
Schnell
hatten sie danach beschlossen, dass es schon schwer genug sein würde, die
vorhandenen Mäuler zu stopfen. Ein weiteres hungriges Geschöpf könnte die
Existenz aller gefährden. Einige Tage vor der Niederkunft kam der Köhler
betrunken heim und präsentierte seinem Weib einen widerwärtigen Plan darüber,
was mit dem Säugling geschehen solle. Die Familie hatte den Sommer über zwei
Schweine gemästet. Das Fleisch dieser beiden ahnungslosen Tiere sollte sie
sicher durch den Winter bringen.
»Es
wird Schweinefutter - so schließt sich der Kreislauf«, lallte der Köhler stolz.
Sein
Weib, das sich an die gefühllose Art ihres Gatten längst gewöhnt hatte,
reagierte völlig nüchtern: »So soll es sein.« Eine Widerrede hätte der Köhler
auch bestenfalls mit einer schallenden Ohrfeige quittiert.
Nun war
es so weit. Nach einem letzten Pressen, welches von einem lauten Stöhnen der
Köhlerin begleitet wurde, war das Kind geboren. Die erschöpfte Frau
durchtrennte die Nabelschnur mit einem schmutzigen Messer und hielt den
schreienden Säugling hoch. Blut tropfte auf ihren Bauch. Ein Abbinden würde
sich kaum lohnen. Wohl und kräftig sah er - ein kerngesunder Junge. Im Grunde
viel zu schade, um nur den Schweinen als Futter zu dienen. Aber der Köhler
würde sich auf keine Diskussion einlassen und sie bestenfalls, in ihrem
geschwächten Zustand, auch noch verprügeln.
»Geh zu
deinem Vater«, wies sie ihren ältesten Sohn an, »sag ihm, dass es geschehen
ist.«
Nur
einen Moment später krachte schon die Tür der Hütte auf und der Köhler trat
ein. Er war betrunken - wie immer. Die jüngste seiner Töchter krabbelte ihm in
den Weg. In seiner liebevollen Art gab er ihr einen kräftigen Tritt, sodass die
Kleine an die Wand der Hütte flog, um dort wimmernd liegen zu bleiben.
»Gib
mir das Kind, verdammtes Weib. Die Schweine haben Hunger.« Ohne zu zögern,
packte er das Neugeborene grob am Arm. Noch ehe sich die Köhlerin versah, war
ihr Gatte wieder entschwunden und man hörte von draußen bereits das aufgeregte
Grunzen der Schweine. Sie selbst bereitete sich derweil auf die Nachgeburt vor,
während sich ihre Gedanken nun schon mit ganz neuen Dingen befassten. Die
Geburt hatte sie viel Zeit gekostet. Der Köhler würde alles andere als
begeistert reagieren, wenn am Abend kein Essen auf dem Tisch stünde. Nach ein
paar Krügen Wein würden sie sich auf ihr Strohlager begeben. Die Ereignisse des
Tages lägen dann bereits weit hinter ihr. Insgeheim hoffte sie, dass ihr Gatte
zumindest an diesem Abend seine schmutzigen Finger von ihr lassen konnte.
Der
Köhler war indes mit dem Kind in der Hand zum Schweinegatter gewankt. Die Tiere
quittierten sein Erscheinen mit wildem Grunzen, denn wenn jemand kam, dann gab
es Futter - ganz gleich, woraus dieses bestand. Der Köhler hatte sich den
Säugling nicht einmal richtig angeschaut und war nun im Begriff, ihn über das
hölzerne Gatter zu werfen. Die Schweine schienen das zu bemerken und grunzten
jetzt noch wilder; fingen nun sogar damit an, sich gegenseitig zu beißen.
Wäre
nur eine weitere Sekunde verstrichen, dann hätte das Neugeborene sein Leben
bereits unmittelbar nach seiner Geburt ausgehaucht - als etwas Ungewöhnliches
geschah. Der Köhler hörte hinter sich Hufgetrappel, das, wie
Weitere Kostenlose Bücher