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02 - Geheimagent Lennets erster Auftrag

02 - Geheimagent Lennets erster Auftrag

Titel: 02 - Geheimagent Lennets erster Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Volkoff
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Ein Mann steigt ein

    Es war Freitagabend, der 9. November. In einem Städtchen nahe bei Paris saß ein junges Mädchen am Fenster eines Balkonzimmers und starrte gedankenverloren hinaus. Plötzlich zuckte sie zusammen. Sie bemerkte zwei Füße, die vor dem Fenster in der Luft baumelten. Den zwei Füßen folgten die dazugehörigen Beine.
    Eine Sekunde später tauchte ein vollständiger Mensch auf. Er hing mit den Händen an der Dachrinne, die über dem Fenster verlief.
    In einer weiteren Sekunde war er mit katzenhafter Geschmeidigkeit auf dem Balkon gelandet.
    Ohne die geringsten Hemmungen blickte er in das Innere des Zimmers, sah das junge Mädchen, trommelte an die Scheibe und gab zu verstehen, daß er eintreten wolle. Das alles geschah so natürlich, daß es dem Mädchen lächerlich vorgekommen wäre, Schrecken oder gar Vorsicht zu zeigen.
    Sie lief zum Fenster und öffnete es.
    Der Unbekannte sprang herein, verschloß es eigenhändig, zog, als wäre er bei sich zu Hause, die doppelten Vorhänge zu, wandte sich dann zu dem Mädchen und bot ihm die Hand.
    »Guten Abend, ich heiße Lennet!«
    Er war schmal, eine blonde Haarsträhne fiel ihm in die Stirn.
    Er hatte ein offenes, freundliches, ein wenig schelmisches Lächeln. Mehr als achtzehn Jahre schien er nicht alt zu sein.
    Das Mädchen gab ihm ganz automatisch die Hand. Nicht ohne Erstaunen betrachtete sie seine Kleidung: schwarzer Rollkragenpullover, schwarze Hosen, Turnschuhe. Eine merkwürdige Aufmachung für einen Spaziergang in der Stadt, im November und um sechs Uhr abends!
    »Sie", fuhr der Besucher fort, »sind Fräulein Silvia Marais, nicht wahr? Ein hübscher Name, Silvia.«
    »Es freut mich, wenn er Ihnen gefällt", sagte das Mädchen spöttisch. »Und um mir mitzuteilen, daß ich einen hübschen Namen habe, haben Sie die Gefahr auf sich genommen, sich den Hals zu brechen?«
    »Wenn ich jedesmal beim Erklettern von vier Stockwerken Gefahr liefe, mir den Hals zu brechen, wäre ich nicht hier", erwiderte Lennet.
    »Steigen Sie denn immer durch die Fenster?«
    »Oft.«
    »Sind Sie also ein Dieb?«
    »Nein, keineswegs.«
    »Wie schade!«
    »Wieso schade?«
    »Es würde mir solchen Spaß machen, einem Dieb zu begegnen!«
    »Würde es Ihnen nicht auch Spaß machen, einem Geheimagenten zu begegnen?«
    »O doch. Nur bestehen dafür keine Aussichten.
    Geheimagenten, die gibt's im Kino, aber im wirklichen Leben...«
    Lennet kreuzte die Arme. »Sie irren sich", sagte er. »Es steht einer vor Ihnen. Darf er sich setzen?«
    Silvia stockte der Atem. Ein Geheimagent aus Fleisch und Blut? Ein Geheimagent bei ihr im Hause? Das gab es doch gar nicht!
    »Nehmen Sie im Lehnstuhl Platz", erwiderte sie. »Aber wenn Sie mir vormachen wollen, daß Sie ein Geheimagent sind, dann können Sie gleich wieder gehen!«
    »Ach, und warum?«
    Lennet ließ sich in den angebotenen Sessel fallen, legte die Hände hinter den Nacken und schlug die Beine übereinander.
    »Weil Sie... weil Sie einfach nicht danach aussehen!« rief das Mädchen. »Geheimagenten sind groß, brünett, athletisch gebaut
    - zumindest die unseren. Die feindlichen sind dick, alt, abstoßend und tragen Pistolen! Also...«
    »Also haben Sie noch nicht darüber nachgedacht, daß Geheimagenten nicht leicht erkennbar sein dürfen, weil sie es sonst nicht länger blieben.«
    »Was blieben?«
    »Geheim.«
    »Pah! Ein junger Blondkopf wie Sie!«
    »Wenn es mein Haar ist, das Sie stört, lassen Sie sich sagen-, daß es gefärbt sein könnte. Es ist nicht der Fall, könnte aber sein. Wenn es die Pistole ist, die Sie vermissen...«
    Er ließ die Hand in seinen Pullover gleiten und zog sie bewaffnet wieder heraus.
    »Kaliber 5,5", erklärte er, »durchgeladen, Modell 22 long rifle, die Waffe guter Schützen.«
    Er ließ die Pistole wieder verschwinden und fuhr fort: »Wenn Sie mich nicht athletisch genug finden...«
    Er erhob sich, schlug Rad bis zum Fenster und zurück und setzte sich ruhig wieder in den Sessel.
    »Schließlich besitzen was Ihnen vielleicht unbekannt ist - die vom Staat im Geheimdienst eingesetzten Beamten Ausweise.
    Sie gebrauchen sie zwar nur ungern, höchstens, wenn sie es mit besonders starrköpfigen jungen Mädchen zu tun haben. Aber wollen Sie dies hier bitte zur Kenntnis nehmen.«
    Er hielt ihr seinen Ausweis entgegen. Silvia beugte sich neugierig darüber. Sie sah darauf ein Foto Lennets, seinen Namen und den Aufdruck »Französischer Nachrichtendienst".
    Ein darunter befindlicher Text unterwies

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