Drachenblut
Richtung Konkurrenz. Fink winkte steif zurück.
»Jemand den Sie kennen?« wunderte sich Brad.
»Na klar, der alte Jim von der POST«, log Fink, nur um sich keine Blöße zu geben, wobei er das Jim so undeutlich wie möglich murmelte, so dass es genauso gut John oder Jones heißen konnte. So genau wollte er sich da nicht festlegen. Außerdem ärgerte es ihn, dass sie nicht die ersten am Ort des Geschehens waren. John oder Jim oder wer auch immer schien den besseren Draht zur Polizei zu haben. Egal, so groß konnte die Story ohnehin nicht sein.
»Haben Sie den Hut gesehen?« kicherte Brad. »So was trägt nur einer, der seinen schlechten Geschmack gerne öffentlich zur Schau stellt.«
Fink wollte darauf nichts sagen. Manchmal fragte er sich, ob das Bürschchen nicht zu vorlaut war.
Am Ende der Sackgasse türmten sich überquellende Abfalleimer, ein Stapel vergilbter Herrenmagazine und die Überreste einer zerschlagenen Schaufensterpuppe an den bleichen Hauswänden in die Höhe. Die Szenerie entsprach dem Klischee einschlägig bekannter Filme, in denen an Plätzen wie diesem der neugierige Privatdetektiv nicht selten von irgendwelchen Gangstern zusammengeschlagen und in eine Mülltonne gesteckt wird, als letzte Warnung sozusagen.
Und tatsächlich entdeckte Brad eine Gestalt, die zusammengekrümmt auf dem Gehweg lag. Mit einem Seufzer wuchtete sich Fink aus dem Wagen und machte sich an die Arbeit. Seinen neuen Hut ließ er auf der Rücksitzbank liegen, die Karte mit der Aufschrift PRESSE schob er in seine Jackentasche.
»He da!« Mit der Schuhspitze stupste Fink der regungslosen Gestalt in die Seite. Ein furchtbarer Rülpser ertönte und eine gewaltige Alkoholfahne stieg in die Höhe.
Ansonsten war hier nichts geboten. Mit dem Eintreffen der Polizei war, wenn überhaupt, erst in Stunden zu rechnen. Wie immer würden die Uniformierten viel Staub aufwirbeln, sich nach Besichtigung der Lage kurz beraten und anschließend, sich allseits vielmals entschuldigend, zu einem anderen nicht minder brisanten Einsatz weiterrasen. Über Herkunft und Identität der hilflosen Gestalt ließ sich im Augenblick ohnehin nur spekulieren, was wollte man also noch hier? Unschlüssig überlegte Fink, was es noch zu tun gab. Neben der Gestalt lag eine angebrochene Flasche Wein, deren buntes Etikett schon aus der Entfernung die Preisklasse verriet. Mit spitzen Fingern nahm Fink die Flasche an sich, zog umständlich den Plastikkorken heraus und setzte den Flaschenhals an die Lippen des Unglücklichen. Seine Bemühungen wurden schon nach kurzer Zeit mit einem Schwall Erbrochenem belohnt. Dekorativ spritze das Sonderangebot über den filzigen Bart, der den zahnlosen Mund umsäumte. Die Gestalt röchelte einen Moment und ergab sich dann wieder ihrem Delirium.
Brad verzog angewidert das Gesicht. »Sollten wir nicht lieber einen Arzt rufen? Ich meine … schließlich könnte er ersticken.«
»Ach was, diese Burschen sind zäh, glaub mir das. Das Beste ist, wir lassen ihn in Ruhe seinen Rausch ausschlafen.«
Zufrieden steckte Fink die Kamera wieder in die Tasche und schlurfte zurück zum Wagen. Wenn er es geschickt genug anstellen würde, dann könnte er vielleicht Brad dazu überreden, den Text zu verfassen, als Freundschaftsdienst sozusagen.
Fink sah sich nach seinem Begleiter um. »Na los, lass uns hier verschwinden.«
Brad kam bereitwillig dahergezockelt. Vertraulich legte ihm Fink den Arm auf die Schulter. »Sag mal Brad, wie lange kennen wir uns nun schon?«
Später sollte sich Brad noch über die klebrigen Flecken an seinem Kragen wundern.
13
Die Eltern des kleinen Mädchens waren nicht zu Hause. Deshalb konnte es tun und lassen, was es wollte. Theoretisch zumindest, denn das Mädchen durfte nichts schmutzig machen, durfte nicht zu laut sein, durfte nicht hinaus in den Garten gehen und durfte keinen Spielkameraden zu sich einladen. Das machte es nicht leichter, einen unterhaltsamen Nachmittag zu verbringen, aber sie konnte zum Beispiel einen Sandkuchen backen oder einen Papierflieger basteln. Es stand ihr aber auch frei, die Eisenbahn aufzubauen oder mit den Glasmurmeln zu spielen. Die Entscheidung fiel ihr schwer, und bis sie wusste, was sie wollte, konnte sie ja einmal den Fernseher einschalten. Vielleicht kam ihr dabei eine gute Idee.
Lustlos schaltete das kleine Mädchen die Kanäle durch. Irgendwo explodierte
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